Best of Blog: Unsere Festival-Momente 2013

Happy Birthday, Grenzenlos Kultur! Anlässlich der 25. Festivalausgabe stöbert die diesjährige Blog-Redaktion in den Archiven und hebt besondere Fundstücke noch einmal ins Rampenlicht. Heute: Die Rückschau der Blogger*innen des Jahres 2013, eine Versammlung magischer Augenblicke – für die Gegenwart in gendergerechte Sprache übertragen.

Einer der Festivalvallieblinge: "Planet der Affen 2" © Marie Tollkühn
Einer der Festivalvallieblinge: “Planet der Affen 2”, Foto: Marie Tollkühn

17 Tage lang haben 14 Blogger*innen Grenzenlos Kultur vol. 15 begleitet, mit Vorberichten, Porträts, Interviews und Kritiken. Sie haben viel gesehen. Ihre bemerkenswertesten Festival-Momente sind ebenso verschieden und vielfältig wie die Blogger selbst. Keine Top Ten, sondern magische Augenblicke:

Mit dem Affenrap im Ohr
Planet der Affen 2” gehört wohl zu den originellsten, gleichzeitig auch zu den seltsamsten Performances, die ich seit langem gesehen habe. Ich sollte bis zum nächsten Tag eine Kritik schreiben, hatte jedoch die ganze Zeit diesen absurden Busrap von Okka Hungerbühler als Gorillabraut im Kopf, der mich sogar im Traum noch heimsuchte und mich  imaginär zum Goafestival fuhr. Nach fünf Stunden, drei Panikattacken, drei weiteren Tassen Kaffee und einem Anruf bei meiner Mama war ich schließlich fertig und ging zum Fußballtraining. Mit Gorillarap und zu viel Koffein machte ich mein bestes Spiel. Das Affenfieber und mein ständiges Schmunzeln verschwanden erst nach drei Tagen.
Michael Tang

Tränen
Der Auftritt von Maximilian Kurth in “Orpheus und Eurydike” berührt mich. So herzzerreißend und ergreifend echt habe ich noch nie jemanden auf der Bühne trauern sehen. Ich möchte zu ihm auf die Bühne gehen und ihn in den Arm nehmen, solange bis seine Tränen getrocknet sind und meine Gänsehaut weg ist.
Lisa Naumann

Mit baumelnden Beinen
Die Konferenz der Tiere” mit Rufus Beck, einem Freund aus der Kindheit. Eine Zeitreise zu den Harry-Potter-Sonntagen mit meinen Eltern, bei Kaffee und Kakao. (Den ganzen Tag Quiddich spielend und gegen Voldemort kämpfend!) An diesem Sonntag um 11 Uhr saßen meine Erinnerungen links und rechts von mir, baumelten mit den Beinen und lauschten mitfiebernd über die Dummheiten der Erwachsenen.
Yana-Kay Prinsloo

Reifeprüfung
Als Fan von Simon & Garfunkels Musik besuchte ich voller Vorfreude das Konzert von Jan Plewka und seinen Jungs. Und wurde nicht enttäuscht. Entzückt lauschte ich seiner rauchigen Stimme und verliebte mich aufs Neue in Klassiker wie “Mrs. Robinson“. Es war ein spannendes und sehr abwechslungsreiches Konzert, das mir unglaublich Spaß gemacht hat. Sei es die gelungene Aufforderung, einfach mal den “Klang der Stille“ zu genießen, oder Jan Plewkas Reifeprüfung, wenn er sich mit einer übergroßen Mrs. Robinson unterhält. Ein einfaches aber dennoch eindrucksvolles Bild bleibt mir im Kopf: Ein rhythmisches Blitzlichtgewitter aus Feuerzeugflammen in völliger Dunkelheit.
Ramona Wartelsteiner

Energie
Wirbelnde, hüpfende, kriechende Gestalten. Lachen, Schreien, Rufen, Schimpfen. Jederzeit gibt es während der Aufführungen bei Grenzenlos Kultur vol. 15 etwas zu sehen oder zu hören. Ich weiß gar nicht, wohin ich zuerst schauen soll. Aber überall ist diese Energie. Sie wird von den Schauspieler*innen, Tänzer*innen und Performer*innen freigesetzt. Sie reißt mich mit, auch, wenn mich ein einzelner Auftritt mal nicht so umgehauen hat. Und die Begeisterung, die den meisten ins Gesicht geschrieben ist, wenn sie auf der Bühne stehen und am Ende den Applaus entgegen nehmen!
Jule Agne

Verschmelzung
In dem viertel Jahrhundert meines Lebens habe ich es geschafft, mir eine doch recht ansehnliche Ansammlung von Musik anzueignen. Für mich ist ein Sommer ohne Festival kein richtiger Sommer und mit unruhigen Füßen warte ich auf die nächsten Konzerte. Die Bands, die ich dort sehe, sind alle – und das ist keine Übertreibung – von Joy Division beeinflusst. Niemand kommt an ihnen vorbei, wenn es um Musik geht, die mit Gitarre und Schlagzeug gemacht wird. Höhepunkt des Festivals war also ganz sicher die Performance “10x The Eternal“. Hier verschmolzen meine beiden Leidenschaften, die Musik und das Theater, miteinander, um zu einer intelligenten wie berührenden Performance zu werden.
Jascha Fendel

Nicht nur für Kinder
Vom Tanztheater “Kennst Du Jackie Chan?” hatte ich mir nicht besonders viel erwartet – ist ja schließlich nur Kindertheater. Es wurde zu meinem persönlichen Festivalhöhepunkt. Mit viel Leichtigkeit bringt das Ensemble-Duo die nicht ganz so leichte Geschichte auf die Bühne. Tanz, Ton, und vor allem Körpersprachen verschmelzen zu einer bewegenden Darbietung. Wenn ich gleichzeitig kichern und melancholisch sein kann, wenn ich mir still Sorgen um die Figuren mache, dabei aber genauso gerne kissenschleudernd auf die Bühne stürmen würde, um mittendrin zu sein, dann ist das ein ganz besonderes Theater. Nicht nur für Kinder.
Jasmin Buchholz

Blut-Flut in Mainz
Ich sitze im Publikum des Konzertes von Les Reines Prochaines. Vor mir auf der Bühne baut sich Michéle Fuchs in einem weißen Arztkittel auf und brüllt, das Menstruationsblut aller Frauen fülle Flüsse und Seen. “Die Welt färbt sich rot” – blutrot. Es ist für mich der Höhepunkt dieses absurden, von Staubsauger-Tatoos und Hexentänzen geprägten Abends. Ich kann mich nicht mehr beherrschen und breche in hysterisches Gelächter aus. Als ich das KUZ verlasse, bin ich aufgekratzt und aufgedreht und kann nicht aufhören zu lachen. Was für ein mieser Mist! Aber wissen Sie was? Ich würde mir den Mist jederzeit wieder anschauen, weil ich mich drauf eingelassen und herzlich gelacht habe! Mein Festival-Moment!
Jana Lösch

Maskenspiele
Viel gelacht, herzlich amüsiert: “Planet der Affen 2“. Ein Puppentheater mit Affenmasken: Auf der Picknickdecke wird der Beziehungsstatus geklärt: offen. Busfahrten zum Goa-Festival, die Untersuchung von Paarungsritualen im Forschungslabor, Wanderungen in einer riesigen Grotte (ein Zwei-Mann-Zelt) und viele weitere herrlich komische Momente. Ergreifender, bewegter Moment: das Maskenspiel in “10xtheEternal” von BewegGrund. Es ist dunkel. Mitten in der Choreografie bleibt die Zeit stehen. Der Moment des Innehaltens dehnt sich aus. Auf einmal stehen, knien, sitzen und liegen die sechs Tänzer des BewegGrund Ensembles unbewegt am hinteren Rand der Bühne und schauen mit leeren, ausdruckslosen Masken auf den Gesichtern ins Publikum.
Lena Kunz

U-Bahn-Pause
Wenn Thikwa-Schauspieler Torsten Holzapfel über die “Zusammenarbeit” mit seinem Performer-Kollegen Florian Loycke erzählt und sich über dessen fehlende Begeisterung für U-Bahnen wundert. Im Videobeitrag des inklusiven Künstlerpaares kann Torsten nämlich gar nicht verstehen, wieso Florian mal eine Ess-Pause vom Frankfurter U-Bahn-Netz braucht. Es war wahnsinnig komisch, wie sich die beiden verstanden haben und sich doch ein Rätsel waren. Und trotz verschiedener Interessen ist ihnen eine gemeinsame Präsentation gelungen, die sympathischer gar nicht sein konnte.
Lea Bindl

Gekicher
Jan Plewka ging singend durch den Zuschauerraum. Dann stand er plötzlich neben mir und sah neugierig auf meine Notizen für den Blog. Er sang mich ein paar Takte lang an. Dann signalisierte er mir, dass ich das jetzt unbedingt notieren muss. Ich tat’s, umgeben vom lauten Gekicher meiner Sitznachbarn.
Charlotte Herminghaus

Kein “Kindertheater”
Tanztheater, das nicht auf körperliche Perfektion baut, sondern mit körperlichen Gebrechen spielt: Mein Höhepunkt auf dem Festival war “Kennst Du Jackie Chan?” vom Mezzanin Theater. Nicht nur, dass mir das Stück selbst sehr gut gefallen hat. Vor allem hat es gezeigt, was inklusives Theater bedeutet: Es spielt keine Rolle, wer da mit welchen Voraussetzungen auf der Bühne steht. Und so wurden ein gebrochenes Bein und Bauchweh zum Hindernis. Eine rührende Geschichte, toller Tanz und ein Stück, dass die Einschränkung “Kindertheater” nicht verdient.
Jochen Lamb

Wir sind wie ihr!
Es gibt eine Haltung, die geht ungefähr so: “Im Theater wurde alles schon mal gemacht und nichts wird uns richtig neu erscheinen”. Nach Grenzenlos Kultur vol 15. kann ich dem nicht zustimmen. Wie auch, wenn ein Festival genau das macht: Anders sein. Nicht das Festival an sich, sondern jene Performances, die uns nicht (oder nur selten) in einem Staatstheater über den Weg laufen. Viel gibt es letztendlich noch aufzuholen, um diese Lücke zu füllen: Ich bin begeistert von den Menschen, die genau dies vorhaben. Fasziniert davon, mit wie viel Energie und Ehrlichkeit die Schauspieler*innen vor dem Publikum stehen und den Mut haben, ohne einen Laut zu rufen: Schaut uns an! Wir sind wie ihr!
Vivien Gäde