König, Sängerin, Dompteur

“How many yous will you carry?” – “Wie viele Dus trägst Du in Dir?” ist die Frage, die diesen Sonntagabend bestimmen wird. Die Frage nach der Identität ist ein Leitmotiv, das beim “Grenzenlos Kultur”-Festival immer wieder zu finden ist. In dem Theaterstück “Ich bin’s Frank” von und mit Julia Häusermann und in der Regie von Nele Jahnke, einer Kooperation zwischen Münchner Kammerspielen und Theater HORA. Darin nennt sich Häusermann Frank, angelehnt an die Figur des Frank Levinsky aus der Telenovela-Serie “Verbotene Liebe”.

Julia Häusermann ist Frank. Foto: Holger Rudolph

Maria oder Frank?

Es ist ein trister Sonntagabend, als ich mich vor dem Kleinen Haus des Staatstheaters einfinde. Das graue Wetter, das sich nicht entscheiden kann, ob es regnen soll, verschlimmert meine Gemütslage. In der Hoffnung an diesem Abend positive Bilder einzufangen und mein inneres Wolken-Gemüt aufzuklaren, setzte ich mich. Und erblicke eine düstere Kulisse. In der Mitte der Bühne befindet sich ein karger Steinhaufen und links daneben eine Leinwand, auf der in verblichenen Farben eine Frau zu erkennen ist. Dieses Bühnenbild erinnert doch sehr an den Kerker, in dem Maria Stuart eingesperrt war. Ich hoffe auf ein besseres Ende. Auf eine weitere Leinwand wird in gelben Buchstaben der Satz „How many yous will you carry“ projiziert. Links oben hängt ein Konstrukt, welches mit Leuchtstäben ausgestattet ist.

„Ich bin’s Frank“ erklingt eine weibliche Stimme mit schweizerdeutschem Dialekt aus den Lautsprechern. Mit weißen Turnschuhen, roten Leggings mit einem schwarzen Rock darüber und einem schwarzen Top bekleidet, läuft Frank (Julia Häusermann) durch die Leinwand und bleibt davorstehen. Ohne nach hinten zu sehen, reißt er die Leinwand runter und benutzt diese als Gewand. In königlicher Manier stolziert er über die Bühne und bestärkt mich weiter in meiner Theorie, heute Maria Stuart zu sehen.

Doch er versteht sich mehr als nur ein König. Sei es als deutsche Schlagerikone Helene Fischer, die die Zuschauer zu rhythmischen Klatschen animiert und das Kleine Haus in eine Dorfdisko verwandelt, oder als Dompteur, der die Zuschauer dazu bringt, verschiedene Tricks aus seinem Lieblingsfilm “Free Willy 2” nachzumachen. Je länger der Abend geht, desto mehr fängt man an, mit Frank mitzufeiern. Man vergisst, dass man sich im Theater befindet und wird von seiner Partylaune angesteckt.Dabei dient das mit Leuchtstäben besetzte Konstrukt sowohl als Hochzeitskleid als auch als Kronleuchter, der sich in dem Lied “Chandelier” von Sia seine Entsprechung findet. Als Abschluss spricht Frank noch Texte von Kate Tempest, die seine Suche nach Identität verdeutlichen.

Julia Häusermann zieht Leinwand herab und verwandelt sie in Königsmantel
Heute ein König Foto: Holger Rudolph

Wetterprognose: Blauer Himmel

Mit biografischen Momenten versuchen Häusermann und Jahnke einen Abend für Jedermann zu gestalten, was jedoch nur vereinzelt gelingt. So stellt sich mir die Frage, ob man den Abend verstehen kann, wenn man die Referenzen nicht kennt. Wie wurden beispielsweise die Lieder ausgewählt, in welchem Zusammenhang stehen sie? Auch die Leinwand, auf der abwechselnd Videos zu sehen waren, in der Frank auf einem Pferd ritt oder auf einer Mini-Golf-Anlage lag, standen in keinem logischen Kontext und wirkten wie ein Fremdkörper. Am Ende bleibt dennoch ein unterhaltsamer und kurzweiliger Abend, der eindrucksvoll im Gedächtnis bleibt. Unvergessen bleibt die Erinnerung, wie Häusermann völlig befreit zu Helene Fischer tanzt. Allein durch ihre direkte und positive Art schafft sich einen eigenen Raum und lädt das Publikum ein. In 40 Minuten die Stimmung eines Menschen zu verändern, gebührt Anerkennung. So verlasse ich meinen Platz und habe einen blauen Himmel in der Seele.