Wer kommt, macht mit

Blick in die Galerie: “Plastikgespenst der Freiheit” © Peter Kroh

Anne Tismer & Das Theater Thikwa sind ein wirklich bunter Haufen. Beim Grenzenlos Kultur Festival 2012 sind sie mit “Das Plastikgespenst der Freiheit” dabei. Den Zuschauer erwartet nicht nur eine Theatervorstellung…Als ich den Aufführungsort, die “Walpoden Akademie” betrete, weiß ich nicht was mich erwarten soll. Unter einem Plastikgespenst kann ich mir nichts vorstellen. Im Raum verteilt liegen bunte Requisiten. Stehe ich in einer Ausstellung? Es sieht so aus. Überall im Raum sind Panzer,Waffen und übergroße Zigaretten aus Plastik verteilt. Man kann sie sehr schnell als solche erkennen, da sie zwar handwerklich sicher nicht perfekt sind, darin allerdings viel Mühe und Arbeit steckt. Das große Schaufenster des Hauses, verstärkt den Eindruck einer Ausstellung. Plötzlich kommen die Darsteller aus einer Tür. Sie bitten die zehn bis fünfzehn anwesenden Gäste, sich auf dem Bürgersteig zu verteilen und beginnen vom Vortag zu erzählen.

Die Aufführung ist keineswegs gewöhnlich. Das Vorbild hierfür ist der 1974 erschienene Film Das Gespenst der Freiheit von Luis Buñuel. Es werden bis Samstag verschiedene Szenen daraus gezeigt. Täglich werden im 60 Minuten Rhythmus die selben Szenen gespielt. Die Nacherzählung vom Vortag, bietet auch neuen Zuschauern die Möglichkeit, das Stück zu verfolgen und das taten auch einige Leute.

In der heutigen Szene, begeben wir uns in einer Kolonne einige Meter aufwärts, zur nächsten Kreuzung. Die Passanten staunen nicht schlecht, als einige der Darsteller sie fragen, ob sie denn einen Fuchs gesehen hätten.  Nach einer kurzen Szene Auf einer Wiese, ziehen wir alle wieder zurück. Im Gebäude geht es weiter. Das Publikum gerät ins lachen , als in der darauf folgenden Szene ein großes Gewusel vor der in das Stück eingebauten Toilette stattfindet. Für fünf Minuten gehen andauernd die Darsteller laut stampfend auf die Toilette und behindern sich gegenseitig beim kommen und verlassen. Kurz darauf sind die Szenen auch fertiggespielt und es gibt ehrlichen Applaus.

Als ich mich nach der ersten Vorstellung gerade auf den Heimweg machen möchte, wird mir draußen noch ein Kaffee angeboten. Es ist kalt, also schlage ich zu. Die Schauspieler und Zuschauer kommen auch nach und nach raus. Es gibt keinerlei Berührungsängste und so beginnen sich draußen alle zu unterhalten. Plötzlich komme ich mit Ingo und Wolfgang ins Gespräch, die beiden sind Schauspieler beim Berliner Theater Thikwa. Ingos schauspielerisches Vorbild ist “Don Johnson”, bekannt aus der Kultserie “Miami Vice”. Ingo hat noch eine zweite Leidenschaft neben der Schauspielkunst. Er ist ein großer Gitarrenfan und spielt in mehreren Bands. Er ist der Meinung, dass er einer der Menschen ist, die ihr Hobby zum Beruf gemacht haben.

Man kommt nicht drum herum sich wahnsinnig für diese Menschen zu freuen. Sie sind gradlinig und machen einfach ihr Ding. Sie beklagen sich nicht, hadern nicht mit dem Schicksal, sondern machen einfach etwas Wunderbares: das, was ihnen Spaß macht.

Mittlerweile ist die zweite Vorstellung vergangen. Es kommen immer mehr Gäste. Manche halten an, lassen sich von uns erklären was hier passiert und werden spontan zu Zuschauern. Ich beginne mich mit Robert zu unterhalten. Er ist Mitglied der “Walpoden Akademie” und begeistert von der Vorstellung und vom Festival überhaupt. Ihm ist es egal, ob jemand ein Freak ist, arbeitslos oder eben behindert. “Wer kommt, macht mit”, lautet sein Motto. Er glaubt, dass sich durch das Einlassen auf die Situation eine Eigendynamik entwickelt, die so nie zu planen wäre.

Während die nächste Vorstellung läuft, unterhalte ich mich vor der Tür mit einer älteren Dame. Sie ist auf dem Weg zum Augenarzt, jedoch sichtlich begeistert von dem, was sie durch die Scheiben erkennen kann. Wir kommen ins Gespräch. Sie erzählt mir, wie sie voller Faszination die paralympischen Sommerspiele verfolgt hat und wie tolerant doch die Briten wären. Andreas Meder, Veranstalter des Festivals, schaut ebenfalls vorbei. Er unterhält sich gerade mit Ingo, als ich ihn frage, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Stück “Das Plastikgespenst der Freiheit” und dem Festivalmotto “Gespenster der Freiheit” gibt. Er erzählt mir, wie er zusammen mit Anne Tismer auf die Idee kam und das es auch ihre Idee gewesen sei, nicht im KUZ, sondern in der “Walpoden Akademie” aufzutreten.

Es ist 17 Uhr, die letzten Flyer wurden unter die Laufkundschaft gebracht. Mittlerweile sind alle beim “Du”. Ich mache mich auf den Heimweg und bin noch immer von diesem Erlebnis fasziniert. Ich kann nur raten, sich auf Anne Tismer und das Theater Thikwa einzulassen. Es lohnt.

 

Peter Kroh

Peter Kroh, geboren 1993, Fachabitur 2012 an der Mainzer Steinhöfelschule. Demnächst ZDF-Praktikant. Von seinen Leidenschaften Sport und Theater gibt er beim Grenzenlos Kultur Blog gerade letzterer den Vorzug.

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