Unterm Kartonbaum

Herr Fuchs, das alte Lästermaul © Holger Rudolph

“Vielleicht ist sie ja nur bei ihm, weil er sie beschützen kann?”, mutmaßt Frau Fuchs. Sie und ihr Mann, Herr Fuchs, beobachten das Zusammenleben eines Bären und einer Gans kritisch. Was sollte die zwei schon verbinden? So tratscht das Ehepaar munter weiter. Man wird sich ja wohl noch eine Meinung bilden dürfen!

Die inklusive Gruppe Meine Damen und Herren und die transnationale Gruppe Hajusom aus Hamburg erzählen auf U17 im Staatstheater Mainz ein Märchen, das auf Katja Gehrmans Bilderbuch “Gans der Bär” basiert. Eine Fabel über das Anderssein und die Gemeinsamkeiten trotz aller Unterschiede. Ganz im Sinne Äsops verbirgt sich in der einfachen Geschichte mit tierischen Protagonisten eine große Botschaft: “Gans anders”.

Der Fuchs stibitzt ein Ei. Es fällt allerdings dem Bären in die Pranken und prompt schlüpft eine Gans daraus, die den Bären für ihre Mama hält. Was für ein Schlamassel! Der Bär setzt alles daran, die Gans wieder loszuwerden. Die beiden sind schließlich vollkommen verschieden! Und das kann der Bär auch beweisen. Die drei Regisseur*innen Christoph Grothaus, Marc-André Klotz, Martina Vermaaten verflechten diese Geschichte mit Erfahrungen der Darsteller*innen über das Anderssein.

Ein riesiges Vogelnest und eine Vielzahl von Pappkartons, die in der Mitte des Raumes zu einer Ebene geformt sind, bedecken die Bühne. Auf jedem Karton prangt ein Buchstabe. Im Hintergrund bilden sie so den Titel der Buchvorlage: “Gans der Bär”. Durch diesen einfachen Aufbau lässt sich die Bühne schnell für die verschiedenen Szenen umbauen. Die Schauspieler stapeln Kartons zu Bäumen, auf die der Bär klettert. Sie funktionieren das Vogelnest zum Fluss um, in dem Lachse gefangen werden. Hier nehmen sich die sechs Darsteller*innen in wechselnder Besetzung der Tierfiguren an. Durch Pappmasken, die sie sich über die Hände ziehen können, bekommen Fuchs, Bär und Gans Gesichter mit Schnauzen und Schnäbel, die sie zum Sprechen weit aufreißen. Ohren flappen charmant, wenn die Köpfe sich drehen, um ihre Umgebung zu erkunden. Die Masken geben den Figuren Leben.

Bär und Gans passen nicht zusammen? Im Gegenteil! © Holger Rudolph

Die Geschichte vermittelt viel: Manchmal stecken unsere Gemeinsamkeiten in unseren Unterschieden. Äußere Verschiedenheiten bedeuten noch lange nicht, dass man nicht zusammenpasst. Und die Gesellschaft ist wie Frau und Herr Fuchs: Sie tratscht, wenn sie etwas nicht versteht. Oberflächlichkeit ist einfacher als Weitsicht.

Doch gerade wenn man sich ganz auf die Geschichte zwischen Bär und Gans eingelassen hat, wird sie unterbrochen. Dann erzählen die Darsteller, dass Menschen anders sind als Roboter, man selbst nicht Michael Jackson ist und man wegen seines Aussehens schon vollkommen falsch eingeschätzt wurde. Der Versuch, eine biographische Ebene einzubringen, bietet sich bei dieser Besetzung an. Doch wirken diese Passagen zwanghaft ins Geschehen hineingezwängt. Sie stören und irritieren mehr, als dass sie bereichern. Die wiederkehrenden Unterbrechungen verhindern, dass die Fabel vollends ihre Wirkung erzielen kann. Ihre Kraft verliert sich.

Der einstündige Nachmittag hätte durch eine Beschränkung aufs Wesentliche mehr beeindruckt. So bleibt die Inszenierung ein nettes Kinderstück mit süßen Pappmasken und einer schönen Grundidee.