Der Kampf um Anerkennung

Kampf der Giganten © Marie Tollkühn
Kampf der Giganten © Marie Tollkühn

Mit der Vernissage “La Bande Dessinèe est un Sport de Combat” (Der Comic ist ein Kampfsport) läutet die belgische Kunstwerkstatt CEC la “S” in Zusammenarbeit mit dem Comic Label Frèmok den “Catchkampf von Vielsalm” ein. 

Eine Kampfszene. Zwei Ringer stehen sich gegenüber. Verlieren ist für beide keine Option. Der eine holt zum finalen Armgriff aus, um seinen Gegner auf die Matte zu legen und den Kampf zu beenden. Schützend legt der andere seine Arme vors Gesicht und stellt sich mit aller Kraft dem Gegner entgegen. Wer wohl gewinnen wird?

Die aus Pappe bestehenden Figuren richten sich in ihrer weißen Kampfzone auf wie zwei Monumentalstatuen im Recycling-Stil. Umgeben von Storyboards, Collagen und Zeichnungen verschiedener Stilrichtungen ist das dreidimensionale Kunstwerk von den belgischen Künstlern ein plastischer Genuss.

Universelle Bildsprache

Die Plastik ist eines der Ausstellungsstücke, die seit gestern unter dem Titel “Catchkampf von Vielsalm” das Kulturzentrum in ein szenografisches, urbanes Geflecht aus bewegten und inspirierenden Bildern verwandeln. Die Graphic Novels an den Wänden erzählen ihre eigenen Geschichten. Mal düster-melancholisch, mal gesellschaftskritisch mit einer Spur Polemik. Die Bildsprache ist am heutigen Abend die Sprache des Kampfes.

Blick in die Ausstellung © Marie Tollkühn
Blick in die Ausstellung © Marie Tollkühn

Mit etwas Verspätung beginnt die kleine Gesprächsrunde der Vernissage unter dem Titel “Der Comic ist ein Kampfsport”. Die künstlerische Leiterin des belgischen Ateliers CEC La “S”, Anne-Francoise Rouche, berichtet über ihren “Kampf von Vielsalm” und erzählt über die Zusammenarbeit zwischen nicht behinderten und behinderten Künstlern. Kunst kann Grenzen überwinden und vereinen. Vor allem ist es die Sprache des Bildes, die universell erscheint und von jedem verstanden wird.

Rouche erzählt mit Stolz und leuchtenden Augen vom Atelier, das sich in einer ehemaligen Kaserne befindet. Es sei kein therapeutischer Rückzugsort mit erhobenem, pädagogischem Zeigefinger, sondern ein gleichberechtigtes Aufeinandertreffen von Menschen. Es ist eine Plattform der Akzeptanz und Gleichberechtigung für behinderte und nicht behinderte Künstler, ein Sprungbrett, um sich in der zeitgenössischen Kunstszene zu etablieren.

Der Regisseur Simon Scanner hat das Projekt filmisch begleitet und schenkt dem Zuschauer in rasanten Bildern mit vielen Jump Cuts, Parallelmontagen und Close-ups erstaunliche Eindrücke vom Entstehungsprozess und der Zusammenarbeit. Ein behinderter und ein nicht behinderter Künstler kreieren jeweils als Duo neue visuelle Reize und Erfahrungsspektren. Anders als in ihren Werken geht es hier nicht um (Konkurrenz-)Kampf, sondern um ein Miteinander und Füreinander mit dem selben großen Ziel: künstlerische Wertigkeit.

Vorlagen: Hulk Hogan und Jean Claude van Damme

Jedes Kunstwerk hat eine Geschichte und die Geschichten der Künstler von “Vielsalm” sind beeindruckend. Inspiration stellt sich ein, wenn man nicht danach sucht und seine Erwartungen aufgibt. So dienen mal die Kämpfe von Hulk Hogan oder die Filme von Jean Claude van Damme als Vorlage für ihre Werke.

© Marie Tollkühn
© Marie Tollkühn

Auch Thierry van Hasselt, Mitglied des belgischen Graphic Novel Labels Fremok äußert sich begeistert über die Zusammenarbeit mit La “S” und ihren Künstlern. Er beschreibt das Projekt als Experimentierfläche, um verstärkt Comics und Graphic Novels in die zeitgenössischen Kunst zu integrieren. Sowohl auf künstlerischer als auch menschlicher Ebene war das Zusammentreffen eine Bereicherung für beide Seiten. Das belgische Trio wird durch die Autorin Annabelle Dupret komplettiert, die das Projekt vor Ort journalistisch begleitet. Auch sie sieht die Zusammenarbeit als ersten Schritt an, die teils bewussten Barrieren im Kopf der heutigen Gesellschaft zu sprengen und eine andere künstlerische Welt zu schaffen, in der Anerkennung, Akzeptanz und Gleichberechtigung nicht abstrakt erscheinen.

Es war ein Abend im kleinen Kreise mit großen Erkenntnissen und noch größeren Bildern. Die erste Runde vom “Kampf von Vielsalm” geht mit einem nachdenklichen Gong zu Ende. Wie beim richtigen Catchen steht der Sieger schon vor Beginn fest. Es ist die Kunst.

Die Austellung “Match de Catch à Vielsalm” findet bis zum 27.September im KUZ statt: täglich von 16—22 Uhr. Nähere Information über die Künstler finden sie unter www.lasgrandatelier.be und www.fremok.org.