Heute Abend bei Grenzenlos Kultur: Monster Truck und Thikwa-Schauspieler in “Dschingis Khan”
Sie gelten als unberechenbare, bildmächtige, radikale Performer. Als Zuschauer weiß man nie genau, was in Shows von Monster Truck passiert. So auch in ihrer neusten Performance “Dschingis Khan”, in der sie sich die Mongolen vornehmen.
Die Mitglieder von Monster Truck verstehen sich als Kollektiv. Manuel Gerst, Matthias Meppelink, Sahar Rahimi und Ina Vera – sie alle sind Performer auf der Bühne, führen Regie und entwickeln gemeinsam die Konzepte für ihre Performances. 2005 am Institut für Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen gegründet, arbeiten sie an der Schnittstelle von Performance, Video und Bildender Kunst. Seit sie 2007 beim Körber Studio Junge Regie in Hamburg mit “Live Tonight!” auf sich aufmerksam machten, sind sie bekannt für ihr bildmächtiges, oft verstörendes Theater. Auch in Mainz waren sie schon: 2011 gastierten sie mit “Der Glöckner von Notre Dame” bei Grenzenlos Kultur vol. 13 und verwandelten die Zuschauer in eine “schiebende Schicksalsgemeinschaft“ .
Handlungsanweisungen vom Bühnenrand
Monster Trucks Konzept in “Dschingis Khan”: Sie spielen mit den Wörtern “Mongole” und “mongoloid”. So wurden ein Jahrhundert lang Menschen mit Down-Sydrom bezeichnet. Erfunden hat den Begriff John Langdon Down 1866 – er verweist auch auf einen höchst problematischen Rassediskurs im 19. Jahrhundert. Heute wirkt der Begriff eindeutig diskriminierend.
Das Down-Syndrom, auch Trisomie 21, bezeichnet einen Gendefekt, bei dem Menschen statt der üblichen 46 Chromosome im Erbgut 47 Chromosome besitzen. So wie Sabrina Braemer, Jonny Chambilla und Oliver Rincke vom Berliner Theater Thikwa, die in “Dschingis Khan” auf der Bühne stehen. Denn wer könnte Mongolen besser verkörpern als diejenigen, die jahrelang “Mongoloide” genannt wurden? So provokativ geht es weiter: Die Performer von Monster Truck stehen am Rande der Bühne und geben den Schauspielern Handlungsanweisungen. Die drei Thikwa-Schauspieler lassen sich lenken, vorführen, hören aufs Wort. Oder?
Auf den Spuren der Völkerschauen
“Wir stellen sie aus und wir stellen auch gleichzeitig uns aus, wie wir sie ausstellen”, sagt Performerin Sahar Rahimi. Monster Truck überspitzt, ironisiert, kritisiert und spielt mit Klischeevorstellungen. Sie spiegeln ein Bild, das Menschen von Menschen mit Down-Syndrom haben. Zudem beleuchten sie beide Seite des Konzepts der Völkerschau des 19. Jahrhunderts, die Ausgestellten und die Ausstellenden.
Das inklusive Theater Thikwa gestaltet seit den frühen 1990er Jahren Theater und Kunst mit Menschen mit und ohne Behinderung. Bekannt ist die Gruppe für ihre Kooperationen mit anderen Theaterleuten. Im vergangenen Jahr arbeiteten sie bei Grenzenlos Kultur vol. 14 mit Anne Tismer in der Performance “Plastikgespenst der Freiheit” zusammen, dieses Jahr übernahm eine Thikwa-Schauspielerin die Hauptrolle in “Stallerhof” von Franz Xaver Kroetz in den Kammerspielen des Deutschen Theaters Berlin. Bei Grenzenlos Kultur vol 15. improvisieren am Donnerstag und Freitag sechs Thikwa-Performer in “Zusammenarbeit” mit sechs Kollegen der freien Szene. Ausgang: ungewiss.
Der Begriff Thikwa übrigens kommt aus dem Hebräischen. Er bedeutet Hoffnung.