Grenzenlos Kultur darf und wird nicht sterben – eine Festivalrückschau

So wie es in der Inszenierung “Wer immer hofft, stirbt singend” der Münchner Kammerspiele heißt “Der Zirkus darf nicht sterben”, so darf auch Deutschlands ältestes inklusives Theaterfestival Grenzenlos Kultur nicht sterben! Seit 1997 öffnet es unter der Leitung von Andreas Meder große und kleine Bühnen für behinderte und nicht-behinderte Künstler*innen aus ganz Europa. Das Festival feierte dieses Jahr sein 25. Jubiläum unter dem Motto: “Westwärts” im Kleinen Haus und U17 des Staatstheater Mainz, sowie in der Residenz. Angelehnt ist dies an das Programm des Kultursommers Rheinland-Pfalz, welcher 2020 bis 2024 das Motto “Kompass Europa” verfolgt. Hierfür wurden und werden verschiedene Theater und Künstler*innen aus westeuropäischen Ländern eingeladen.

Mit dem Ende des 25. Jubiläums lasse ich nun meine Gedanken zurück an den Anfang des Festivals am 12.10.2023 im Staatstheater Mainz schweifen.

“The Beginning”, zu deutsch “Der Anfang”, ein Stück von Bertrand Lesca und Nasi Voutsas, aufgeführt im U17. Eine Tanzperformance, welche sich verschiedenen Anfängen widmete und dabei Mittel- sowie Schlussteil der Imagination ihrer Zuschauer*innen überließen. Den richtigen und gelungenen Anfang machte beim diesjährigen Festival Grenzenlos Kultur allerdings das Berliner Theater RambaZamba mit der Inszenierung “Einer flog über das Kuckucksnest” in der Regie von Leander Haußmann. Mittel- und Schlussteil des Festivals blieben aber nicht der alleinigen Imagination überlassen. Von einer lusterfüllten Manifestation durch den Tanz von Anna Dujardin in Fanny Vandesandes Inszenierung “Twotfam”, zu einer Gefühlsachterbahn bei “Wer immer hofft, stirbt singend”, ob der Zirkus – oder das Theater – gerettet werden kann, bis zum Kinderstück “Dinge dingen” von Jan Rozman und Julia Turbahn mit “Gebärdensprachschauspieler” Jan Kress – es war für alle etwas dabei.

Bert und Nasi voreinander auf der Bühne. Hintere Person Arme gehoben, Vordere Person leicht gekrümmte Haltung, Arme seitlich ausgestreckt.
Bert und Nasi performen “The Beginning”, Foto: Holger Rudolph

Klassiker wie “Subway to Heaven” vom Theater Thikwa kehrten nach acht Jahren nochmal auf die Bühne zurück, und Dürrenmatts bekannte tragische Komödie „Der Besuch der alten Dame“ bekam in der Puppentheaterinszenierung “My Black Panther” der belgischen Theatergruppen Theater Stap und Theater FroeFroe ein ganz neues Gewand. Auch aktuelle Tanzstücke, wie “Last Shelter” der britischen Candoco Dance Company, und “Undressed” von tanzbar_bremen waren im U17 des Staatstheaters zu Gast. Nicht nur bei ihnen, sondern auch in der Residenz bei Jack Hunters “One of Two” konnten sich Menschen emotional bewegen lassen. Der schottische Performancemacher Hunter erzählte in seiner ersten Theaterarbeit die Geschichte von sich und seiner Schwester Rebecca. Beide hatten während ihrer Kindheit aufgrund ihrer unterschiedlichen Formen von Zerebralparese mit alltäglicher und struktureller Diskriminierung zu kämpfen. Dabei ging es dem schottischen Performancemacher weniger um die Erzeugung von Empathie als darum, Inspiration zu sein und zu geben für den Kampf gegen ableistische Strukturen (z.B. in Schulen).

Man konnte einer Vielzahl von Künstler*innen bei Grenzenlos Kultur vol. 25 nicht nur auf den Bühnen zusehen, sondern sie auch zu einem persönlichen oder moderierten Gespräch im Rahmen der Reihe “Auf ein Getränk mit…” in der Kakadu Bar antreffen. Dies war ein aufschlussreiches Format, bei dem es gelegentlich auch kleine Mitmachangebote gab. So zum Beispiel bei der großen Quizshow, die zum Anlass des Jubiläums veranstaltet wurde, oder beim Nachgespräch von “Undressed”, bei dem sich gemeinsam durch die Bar bewegt wurden. Neben diesem Angebot der Nachgespräche gab es auch eine kleine Anzahl an Workshops, sowie den Fachtag zu Inklusion in den Darstellenden Künsten.

Andreas Meder steht und spricht in ein Mikrofon. Im Hintergrund sitzt links Christina Schelhas und auf der rechten Seite Elisabeth Schelhas.
Andreas Meder (mi) als Quizmaster, im Hintergrund: Elisabeth (re) und Christina Schelhas (li), Foto: Holger Rudolph

Die letzte Aufführung des Festivals, “Der kaukasische Kreidekreis” von Theater HORA & Rimini Protokoll (Helgard Haug) nach Bertolt Brechts gleichnamigen Drama, zog einen schönen abschließenden Kreis zum Thema Mutterschaft und Behinderung, und rundete so die rundum gelungene 25. Festivalausgabe ab.