Was ist dumm? „Dumm ist schön, dumm ist gut. Dumm ist nicht doof“, rappt die Vogelscheue am Holzpfahl. Zur Ode an die Dummheit tanzt die doppelt besetzte Dorothy mit ausgestreckten Armen einen minimalistischen Tanz, nur die Hände bewegen sich rhythmisch zum Live-Band-Beat paddelartig mit.
Das inklusive Berliner Theater Thikwa zieht das US-amerikanische Märchen „Der Zauberer von Oz” von L. Frank Baum durch den Kakao, das bei uns vor allem durch die Verfilmung von 1939 mit Judy Garland bekannt ist – einer der ersten Farbfilme überhaupt. „OZ, OZ, OZ! (W)Rap the Wizard! – ein verhindertes Musical“ ist eine freche Parodie des Originals. Während es im Buch und im Film Dorothys sehnlichster Wunsch ist, nach Hause zurückzukehren, gefällt es ihr in Gert Hartmanns Inszenierung im Zauberland so sehr, dass sie dableiben will. Die Vogelscheuche ist dumm, aber glücklich und der Löwe sieht seine Angst als Stärke. Die 90-minütigen Reise ins Zauberland hinterfragt Wünsche und Träume. Die Botschaft: Es ist okay, nicht perfekt zu sein.
Das je nach Szene wechselnde Licht taucht die gesamte Bühne sanft in eine andere Stimmung, in eine andere Welt – und zitiert dabei auch das Spiel zwischen Schwarzweiß und Farbexplosion der Verfilmung. Die Variation des Songs „Somewhere Over the Rainbow“ der Live-Band rahmt sanft den Abend. Electronic Jazz legt eine Spur ins Traumland, während einen harte Beatbox-Geräusche und die kantigen Raps der Darsteller wieder aufwecken.
Nach einem holprigen Beginn, in dem jede*r Darsteller*in etwas sehr ausführlich eine Version von Allltagstristesse präsentiert, wartet die Belohnung schon am Wegesrand zum „Oz-Schloss, zur Smaragdstadt, klingt wie Karl-Marx-Stadt, da geht die Post ab“: Aus schlechten Rap-Reimen sprüht der Humor ebenso wie aus den skurrilen Figuren, denen Dorothy begegnet. In diesen Szenen versporteln viele der Darsteller mit gymnastikartigen Bewegungen die Bühne, doch auch der scheinheilige Märchencharakter findet zu seinem Recht. Cora Frost als rotzige Dorothy donnert ihren Vibrato durch den Raum, Torsten Holzapfel als Vogelscheuche strotzt vor selbstbewusster Liebe zur Dummheit, Peter Pankow ist ein ziemlich beeindruckender Oz-Popanz (“Ich liebe euch doch alle”) und Raphael Schall beatboxt bewundernswert als Herzstück der Raps. Zwischen allen schleicht Martin Clausen als Erzähler, der skurrile Fußnoten an die Geschichte häkelt.
Nach Ankunft in der Smaragdstadt fragt der Zauberer Dorothy, was sie sich wünscht. „Wir wollen nix!“ antwortet die Doppel-Dorothy, denn sie ist glücklich mit dem was sie hat. Eine Märchen-Parodie, eine Du-bist-genug Botschaft, viele Lacher. Mehr kann man sich nicht wünschen.