Heute Abend beginnt die 18. Ausgabe des Festivals Grenzenlos Kultur mit „Der gute Mensch von Downtown“ im Kleinen Haus des Mainzer Staatstheaters. Andreas Meder, Gründer und Festivalleiter des ältesten inklusiven Theaterfestivals Deutschlands, spricht im Blog-Interview über die Schwerpunkte der kommenden zehn Tage, die Kunst des Unsinns und die Zukunft des inklusiven Theaters.
Andreas, wie geht es Dir, so kurz vorm Festivalbeginn?
Wenn es losgeht, bin ich immer erst Mal aufgeregt. Da steckt schließlich viel Arbeit drin. Die Entspannung kommt, wenn man sieht, dass es funktioniert, dass Zuschauer kommen, das Programm angenommen wird. Wir haben schon zwei ausverkaufte Vorstellungen von „Der gute Mensch von Downtown“, da sitzen schon mal 2x 400 Leute im Kleinen Haus. Nach der ersten Aufführung gibt es einen Empfang und der Kultusminister Konrad Wolf wird sprechen. Von daher wird das sicherlich einen guten Auftakt geben und dann hoffe ich, dass wir im Fluss bleiben, das Ganze organisatorisch gut über die Bühne bekommen und einen nachhaltigen Erfolg erzielen.
In diesem Jahr steht das Festival unter dem Dada-Motto. Warum?
Dada feiert in diesem Jahr sein 100-jähriges Jubiläum. Der Dada-Gründer in Zürich Hugo Ball kommt aus Rheinland-Pfalz, aus Pirmasens. Wie auch ein anderer wesentlicher Mitstreiter dieser frühen Dada-Bewegung, Hans Arp, der ein eigenes Museum am Rolandseck bei Bad Honnef hat. Wir sind ein Projekt des Kultursommers Rheinland-Pfalz und versuchen, unsere Mottos daran auszurichten.
Gibt es auch einen inhaltlichen Bezug?
Dada ist zunächst einmal eine der wichtigsten Avantgardeströmungen des 20. Jahrhunderts, obwohl sie nur wenige Jahre existierte. Die Dadaisten wendeten sich gegen die bürgerliche Ordnung, gegen den bürgerlichen Kunstbegriff, wollten Neues ausprobieren, Dinge auf den Kopf stellen, sinnfreie Kunst machen. In dieser Tradition sehen wir zumindest einige Gruppen mit geistig behinderten Künstlern, verstehen sie als Balls Enkel. Wir haben drei Auftragsproduktionen dabei: Das Theater RambaZamba mit den „Dada Diven“, Meine Damen und Herren mit dem theatralen Walkact „Eine lange Strecke ist zu weit für mich“ und die Helmis mit „Die letzte Lockerung“. Der Titel bezieht sich auf das Dada-Manifest „Letzte Lockerung“, das Walter Serner 1918 schrieb.
Wie genau soll dieser Erfolg aussehen?
Wir wollen nicht-behinderte Zuschauer für die Kunst behinderter Menschen begeistern. Ich hoffe natürlich, dass da was hängen bleibt und Grenzenlos Kultur in diesem Jahr auch eine sozialpolitisch relevante Veranstaltung wird.
Warum habt ihr unter anderen dieses Jahr Tanz als Schwerpunkt gewählt?
Der Tanzschwerpunkt ist nur einer von dreien, neben dem Dada-Jubiläum und unserem Symposiumsthema „Who Cares“, zu dem auch die Performance „Together Forever“ gehört. Der Tanzschwerpunkt kommt einerseits vom Jahr des Tanzes, das in diesem Jahr in Deutschland begangen wird. Andererseits haben wir gemerkt, dass es gerade besonders viele spannende Produktionen mit behinderten Künstlern im Tanzbereich gibt. Das wollen wir zeigen.
Welche sind deine persönlichen Programm-Höhepunkte?
Wir haben ganz unterschiedliche Aufführungen dabei, großes Sprechtheater, Tanz, Puppen, kleine Performances. Das ist so unterschiedlich, dass ich mich auf viele verschiedene Dinge freue. Besonders auf das Hijinx Theatre aus Cardiff. Das ist für uns eine neuere Entdeckung. Sie kommen mit der skurrilen Puppentheater-Geschichte „Meet Fred“, die jetzt auch gerade in Edinburgh auf dem Fringe-Festival war. Dort hat sie Begeisterungsstürme ausgelöst, war immer ausverkauft, hat tolle Kritiken bekommen.
Wie trefft Ihr, jenseits der Mottos und Schwerpunkte, Eure Auswahl bei der Programmplanung?
Wir veranstalten jetzt seit 20 Jahren solche sogenannten inklusiven Festivals. Deshalb sind wir europaweit gut vernetzt und bekommen Informationen, was es Neues gibt. Ansonsten recherchieren wir, werden angeschrieben, schreiben selbst an. Wir versuchen im Vorfeld natürlich Aufführungen live zu sehen, was angesichts unseres Reise-Etats nur in Ausnahmefällen möglich ist und sichten Mitschnitte. Letztlich beschäftigen wir uns das ganze Jahr damit – nach dem Festival ist vor dem Festival.
Das inklusive Theater entwickelt sich gerade rasant. So gibt es mit Darmstadt ein Ensemble, in dem zwei Schauspieler im Rollstuhl fest engagiert sind. Wie geht’s weiter?
Zunächst ist es mal toll, dass der damalige Schauspielchef sich vor gut zwei Jahren vorgenommen hatte, behinderte Schauspieler einzustellen. Welche Zukunft das dort am Theater hat, das kann ich nicht sagen. Ob das der Königsweg ist, weiß ich ohnehin nicht. Ich habe mich schon öfter mit Gisela Höhne unterhalten, der Leiterin vom Theater RambaZamba. So ein inklusives Theater würde wohl besser funktionieren, wenn der andere Weg möglich wäre: Dass die bestehenden Gruppen die finanziellen Mittel hätten, um nichtbehinderte Schauspieler bei sich als Gäste einzuladen und auch fest anzustellen, um die nichtbehinderten Künstler in ihr Ensemble zu integrieren und nicht andersrum zu versuchen, einzelne behinderte Menschen in einen Theaterapparat zu integrieren.