In “Subway to Heaven” umkreisen Torsten Holzapfel und Martin Clausen einander biografisch
Torsten Holzapfel monologisiert über seine Faszination U-Bahnen. Er erzählt von der ersten U-Bahn in Budapest, von Techniken zum Ausbau von U-Bahnen. Währenddessen spinnt Martin Clausen bunte Fäden zu einem Netz zwischen Stuhlbein und Stangen, die die Bühne vertikal strukturieren: Erst markiert er so realistische Verbindungen in München und Berlin, schließlich aber absurde Strecken wie die „F1“ zwischen Berlin und New York. Sie steht für Holzapfels Utopie: eine Welt, in der es keine Kriege gibt, sondern alles Geld statt ins Militär in weltweite U-Bahnnetze investiert wird.
Holzapfel ist Schauspieler beim Berliner Theater Thikwa, einem der wichtigen deutschsprachigen Ensembles für Schauspieler mit Behinderung. Sein Leben, seine Gedanken, seine Arbeit stehen im Mittelpunkt von „Subway to Heaven“, das die beiden Schauspieler miteinander entwickelt haben. Beide sind bei Grenzenlos Kultur keine Unbekannten: Clausen war 2014 mit „Gespräch haben / Ohne Worte“ und 2012 mit „Bettina bummelt“ in Mainz, Holzapfel erzählte zusammen mit „Helmi“-Schauspieler Florian Loycke schon 2013 von seiner U-Bahn-Leidenschaft in „Zusammenarbeit“.
Theater, Kunst, Leben
Die Bühne ist schlicht. Außer einem Tisch im hinteren Teil der Bühne sind nur einige emporragende Stangen und zwei Hocker mit Kleidung und Schuhen zu sehen. Mit Kreide ist der Grundriss einer Wohnung auf den Boden gezeichnet. Im Hintergrund ist die Berliner U-Bahnlinie U7 mit nur einem Strich zu sehen. Es erinnert auch an die einer Skyline. Vielleicht die von Berlin.
Im Laufe des Abends spinnen Holzapfel und Clausen geistreiche Dialoge, die aus banalen und zunächst zusammenhangslos erscheinden Fragen entstehen. Der Abend kreist um das Leben Holzapfels, um seine Leidenschaft für U-Bahnen, das Theater, Kunst und seine Heimat Berlin. Allmählich entsteht zwischen Holzapfel und Clausen ein Gespräch auf Augenhöhe. Langsam erkennen wir den Künstler Holzapfel immer genauer, aber auch Clausen, der freie-Szene Künstler, bringt seine Theatervorstellungen ein.
Menschenverbindende Magie
Dazwischen gibt es Spiegelbildperformances: Clausen und Holzapfel ahmen sich immer wieder gegenseitig nach. So entstehen kleine, nicht ganz synchrone Zwischeneinlagen. Holzapfel spielt sich selbst, Clausen spielt auch Holzapfel. So ist der Abend das Abbild eines Mannes, der als Kind verwahrlost und misshandelt wird, später in der Psychatrie landet.
„Die Vergangenheit ist ein Teil von dir“, gibt Holzapfel zu bedenken, um im nächsten Moment einen hitzigen Diskurs über den Sinn und Unsinn von Theater und Kunst zu führen. Die beiden finden überraschende Antworten auf die großen Fragen des Abends. So antwortet Clausen auf die Frage nach Kunst: „Lange habe ich gedacht: Was man selber macht ist keine Kunst.“ Eine Provokation für den Künstler Holzapfel, der später an den gezogenen U-Bahnlinienfäden seine eigenen Kunstwerke aufhängen wird. Und Theatergänger müsse es aus dem Grund geben, damit die beiden Schauspieler weiter auf der Bühne stehen dürfen, sagt Clausen. Für Holzapfel hingegen hat das Theater eine Magie, die die Menschen verbindet und sich wieder näher bringt.
Spiegelbilder
Sehr nahe kommen sich die beiden Schauspieler, wenn sie nur in Unterhosen bekleidet einander ansehen und lausbübisch die Zunge rausstrecken. Oder wenn sie einander jagen, umarmen und miteinander in gleichen Bewegungen tanzen. Einmal singt Holzapfel ein Berliner Volkslied und begleitet sich mit einem Leierkasten. Während er vom Berlin der 20er Jahre schwärmt, kurbelt Clausen grob und heftig die Drehorgel, die einen Abba-Song dudelt, und kritisiert das moderene touristische Berlin.
Allmählich kristallisiert sich im Verlauf von Gerd Hartmanns Inszenierung heraus, das die zwei Schauspieler zwei Seiten einer Medaille sind, ein Spiegelbild, das Alte und das Neue, Konservativismus und Moderne, der Kunstkenner und der Uninformierte. Aber auch Holzapfel und Clausen selber. Am Ende ensteht ein fasznierendes Bild vom Künstler Holzapfel, dem Schauspieler und Maler. Ihm gehört auch das Schlusswort: „Dieser Zug endet hier.“