Katzenstreifen zählen

Ablenkungsmanöver: “Bettina bummelt” © Christian Brachwitz

Ein Nachhauseweg birgt viele Versuchungen. Martin Clausen alias Bettina kann sich nicht entscheiden. Über welche Hürde soll er springen? Welche Katze streicheln? Welche Blumen pflücken und wem einen Klingelstreich spielen? Die Berliner Tanzkompanie Two Fish zeigt beim Grenzenlos Kultur Festival ihre Inszenierung des Kinderbuches “Bettina bummelt” der irischen Autorin Elizabeth Shaw.Die Geschichte ist schnell erzählt: ein Mädchen, das auf dem Nachhauseweg trödelt. Eine Mutter, die wartet. Mit dem warmen Essen auf eine Tochter, die lieber dem Teddybär im Spielzeugladen zuhört. Der will nicht verkauft werden, er hat Angst, dass ihm dann die Haare geschnitten werden und die wachsen ihm als Stofftier doch nicht nach. Oder die Nachbarskatze – deren Streifen hat auch noch keiner gezählt. Bettina bummelt sich so nach Hause, offen für alle Kleinigkeiten am Wegesrand, nur nicht für die Sorgen und den Ärger der Mutter. Die Geschichte wendet sich, als Bettina auf die Mutter warten muss.

Martin Clausen, Peter Trabner und Angela Schubot von Two Fish lösen die strenge Dramaturgie der Kinderbuchvorlage auf. Das Grundgerüst der Handlung reduzieren sie auf die tragenden Streben. In einem wilden Nachlauf rennen und reden die beiden Darsteller aneinander vorbei, streiten und versöhnen sich. Es geht um das Bummeln, all die wunderbaren Dinge, die mit der Zeit passieren können, wenn wir sie uns nehmen. Es geht aber auch darum, was mit denen passiert, deren Zeit wir nehmen, indem wir sie warten lassen. Darüber wie die schlechten Gedanken entstehen, was die Angst mit uns macht und was wir aneinander haben.

Achtung, mütterlicher Zeigefinger: “Bettina bummelt” © Christian Brachwitz

Mit Hilfe der Illustrationen aus dem Buch, die Florent Martin für sein Bühnenbild verwendet, gelingt es Martin Clausen und Peter Trabner, die Zuschauer mit in die Gedankenwelt der Grundschülerin zu nehmen. Auf der Bühne entsteht ein Sammelsurium an wundersamen Dingen. Der überdimensionierte Zeigefinger der Mutter, eine klitzekleine Schule, eine bedrohlich tickende Uhr, die Mutter mit grimmiger Miene – gezielt setzten sie die Bilder ein, um die Geschichte zu erzählen. Unterstützt werden sie von den Brüdern Christian und Mario Schulte. Sie singen, pfeifen, zupfen behutsam und halten mit ihrer Musik die Spannung. So entstehen starke Szenen mit klarer Bildsprache, temporeich und voller Witz, mit denen Two Fish das gesamte Publikum mitnehmen.

Die Kinder, die vor ihnen sitzen, hören gespannt zu, greifen ein, wenn es ihnen zu bunt wird – das stärkste Lob für ein Kindertheaterstück. Lauthals wird “Stimmt nicht, stimmt nicht!” skandiert und nach Ende der Aufführung die Bühne eingenommen. Die Berliner entlassen die Zuschauer – große und kleine –  beschwingt in einen sonnigen Tag.

Géraldine Krüger

Géraldine Krüger (23) studiert seit 2009 Humanmedizin in Frankfurt am Main. Aber auch der gesunde, glückliche Mensch auf der Bühne interessiert sie - seit ihrer Jugend nimmt sie regelmäßig an integrativen Theaterprojekten des Staatstheaters Wiesbaden teil.

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