Kitzelattacken und Bauchweh

Erwin in Aktion, Yukie schaut zu © Marie Tollkühn

In “Kennst Du Jackie Chan?” erzählt das Mezzanin Theater von Bauchweh, Angst und Freundschaft – für Kinder ab 6. 

Wenn es aus den Lautsprechern knackt, surrt, dröhnt und schnalzt, wenn die Lichter plötzlich flackern, dann hat da jemand Angst vor etwas, das außer ihm keiner zu sehen scheint. Was aber hilft, wenn einem derart die Angst in den Knochen sitzt?

Von Sorgen und Ängsten erzählen Regisseurin Hanni Westphal und das Mezzanin Theater in ihrem Kinderstück “Kennst Du Jackie Chan?”, vom Anderssein und Anders-Sein-Wollen. Und einer nicht unproblematischen Freundschaft. Da ist der zierliche junge Mann, der hin und wieder schelmisch grinst und seine Haare in einer auffälligen Irokesenfrisur trägt. Er stellt sich als Jackie Chan vor. Das macht ganz schön Eindruck, schließlich ist der ja Meister aller Klassen im Kung Fu. Stark, mutig und sogar berühmt.

Eigentlich, so erfahren wir eine Weile später, ist das Erwin, der da energiegeladen durch die Gegend wirbelt und plüschige Kissen mit zischenden Schlägen aufplustert. Erwin muss man einfach mögen, denn er weiß, was Freundschaft wirklich bedeutet. Er ist vielleicht nicht der stärkste und größte Kerl, den man sich vorstellen kann, doch er weiß, was er kann. Besonders gut kann Erwin helfen und verstehen, was man wann sagen oder tun muss, um andere glücklich zu machen.

Yukie ist Primaballerina, allerdings nicht so wie man sich das vielleicht vorstellt: zart, zerbrechlich und eine kleine Traumtänzerin. Yukie tanzt nicht auf rosa Wolken. Sie ist ziemlich stark und weiß genau, was sie will. Sie liegt mit eingegipstem Bein in einem sterilen, ungemütlichen Krankenhausbett. Ein Gipsbein scheint für Erwin keine große Sache zu sein. “Das ist nicht so schlimm”, muntert er Yukie auf. Aber für eine Ballerina ist es das, vor allem, wenn eigentlich ein großer Auftritt bevorstehen würde.

Ihren zertanzten lachsfarbenen Ballettschuh streift Yukie flink über ihren gesunden Fuß. Von einem Gips lässt sie sich nicht gleich aufhalten. Beim Üben stürzt sie immer wieder, rappelt sich aber jedes Mal auf, nimmt ihren Mut und all ihre Kräfte zusammen und versucht es nochmal. Von ihr lernt man schnell, dass man nicht gleich aufgeben sollte, wenn etwas schwierig erscheint und dass man sich seinen Ängsten stellen muss, um sie zu überwinden.

Yukie Koji und Erwin Slepcevic füllen die sparsam ausgestattete Bühne mit ihrer Geschichte, ihrem Tanz und ihrer ansteckenden Herzlichkeit. Wenn die beiden halb im Spaß, halb ihr Revier verteidigend eine hemmungslose Kissenschlacht anzetteln, wäre man am Liebsten mittendrin. Kichernd und giggelnd stehen sie Kitzelattacken durch. Als sie sich das Bett teilen müssen, werden sie plötzlich zum sich herumwälzenden Knäuel. Und wenn Erwin mit einem großen Bonbon im Mund erklärt, er sei wegen Bauchweh da, muss man einfach mitlachen.

Erwin im Tutu © Marie Tollkühn

Besonders der originelle Einsatz von Geräuschen unterstützt die Gefühle und Erlebnisse der beiden Figuren. Wenn Yukie fällt und mit schmerzverzerrtem Gesicht daliegt, dann donnert und rasselt es im Hintergrund. Eine starke Körpersprache vom anmutigen Gang bis zum tapsigen Tanzversuch zeigt, wie wenig man reden muss, um eine gute Geschichte zu erzählen.

Wenn die beiden aber doch mal reden, wird beim Mainzer Gastspiel simultan in Gebärdensprache übersetzt. Das passt zum Konzept der Inszenierung. Denn genau darum geht es hier: Dass jeder dazugehören und dabei sein kann. Und dass es wichtig ist, einander zu verstehen, auch wenn man noch so verschieden ist.