Auflegen und gehen

Gott beim Basteln: Rita Seredßus in “Lilith’s Return” © Sebastian Bolesch

Bevor Gott Eva erschuf, gab es Lilith. Diese ordnete sich Adam aber nicht so unter, wie es von ihr erwartet wurde, weswegen sie aus dem Paradies floh. Eva war anpassungsfähiger, gefälliger. Adam, Gott und Eva sorgten von da an dafür, dass Lilith ihr Leben in Dunkelheit verbrachte. Doch Lilith gibt sich damit nicht zufrieden und kehrt eines Tages aus ihrem Exil zurück. Im Rahmen des Grenzenlos Kultur Theaterfestivals konnte man sich gestern im KUZ die Interpretation des Musiktheater Berlin/Beirut zu diesem Mythos anschauen: “Lilith´s Return”.Das Bühnenbild ist vielversprechend, ein offenes Dreieck: rechts eine lichtdurchlässige Stoffwand, links ein hohes Regal voller Kisten. Gottes Bastelmaterial: Luft, Feuer, Hände, Äpfel, Schlangen, Tag und Paradies. In diesem Dreieck steht die Schauspielerin Rita Seredfuß vom Rambazamba-Theater in einem gestreiftem Anzug – Gott. Aus Lehm baut sie zwei nackte Frauen: “Kopf, Augen, Nase, Ohren, Körper, Muschel, Arme, Beine.” Diese erscheinen wenig später als Juliana Götze und Nele Winkler auf der Bühne. Zwei Liliths? Eine Lilith und eine Eva? Die Charaktere fließen ineinander, überlappen sich.

Die beiden Liliths malen gegenseitig ihre Körper an die Stoffwand. Mit Lehm umranden sie die Konturen der jeweils anderen. Sie umkreisen sich, deuten Tanzbewegungen an. Dann verschwindet eine von ihnen hinter einer durchsichtigen Glaswand. Man kann sie sehen, sie aber nicht rausgucken. An dem Glas hängt ein Telefon.

Der Sinn der hintröpfelnden Dialoge bleibt schleierhaft. Was bedeuten die leeren Kisten in den Regalen? Handelt es sich um zwei Liliths oder ist die eine doch Eva? Und wieso hört man Gott, der vorher von einer Frau gespielt wurde, am Ende mit einer Männerstimme reden? Laut Ankündigung ist die Figur der Lilith für die libanesische Autorin Joumana Haddad “eng mit dem vorherrschenden Frauenbild der arabischen Welt verknüpft”. Regisseur Frank Krug hat hier versucht, den eher philosophischen Ansatzes des Lilith-Mythos in Bilder zu gießen. Das Resultat ist anstrengende Kunsthuberei.

In der Telefonzelle: Juliana Götze und Rita Seredßus in “Lilith’s Return” © Sebastian Bolesch

Ein fünfköpfiges Ochester begleitet den Abend mit Musik von Mahmoud Turkmani. Oft agiert dieses Ensemble lebendiger als die drei Schauspielerinnen auf der Bühne. Die Musiker spielen miteinander, fühlen die Spannung und das Geschehen – anders als das Publikum.

Nele Winkler ist die meiste Zeit nicht zu verstehen in der wilden Aneinanderreihung von mitteralterlichen Worten, die, wenn man sie akustisch verstehen würden, dem Begreifen wahrscheinlich auch nicht sonderlich zuträglich wären. Auch Winklers Tanzbewegungen zur Musik sind nur angedeutet, nicht ausgeführt. Ähnlich wie der Inhalt der gesamten Aufführung.

Juliana Götze ist der Lichtblick des Abends. Auch wenn man ihre Rolle nicht versteht, so überzeugt ihr engelgleiches Spiel und ihre Leichtigkeit. Ihre Bewegungen sind schwebend und präsize. Nur kann ihre schauspielerische Leistung nicht von der fehlenden Bedeutungsebene der Inszenierung ablenken.

War diese Aufführung ein Beitrag zur aktuelle Genderdebatte? Feminismus? Wird hier eine  homosexuelle Beziehung zwischen Eva und Lilith angedeutet? Wenn, dann ist die Andeutung missglückt. Als Rita Seredfuß mit der weiß-gekleideten Lilith wie in einer Telefonzelle telefoniert, sie nicht versteht, auflegt und geht, wäre ich ihr gerne gefolgt.

Lea Sophie Preußer

Lea Sophie Preußer, geboren 1990 in Wiesbaden, studiert Kulturanthropologie, Publizistik, Literaturwissenschaft und Philosophie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Als freie Redakteurin schreibt sie für verschiedene Lokalzeitungen wie der Allgemeinen Zeitung Mainz und betreut ihren eigenen Flohmarktblog. Schon 2011 war sie Teil des Bloggerteams für das Grenzenlos Kultur Festival. Nebenbei arbeitet sie als Redaktionshilfe beim ZDF. Mehr unter www.marktwelten.de und auf Twitter @LeSophie.