Elf Pandas auf der U17-Bühne des Mainzer Staatstheaters? Genauer handelt es sich um elf Performerinnen, die im Rahmen der Inszenierung „Die Rache der Panda-Pussies“ ein fiktives Panda-Forschungsinstitut zum Leben erwecken. Da sitzen sie, inmitten vieler Papp-Bambusstangen, die wackelig mit Paketklebeband am Boden befestigt sind, prädestiniert zum Umfallen, oder: abgeholzt werden. Und wir, die Zuschauer*innen, sind Pandatourist*innen, die sich mit dem Beiwohnen der Geschehnisse ein Zertifikat verdienen können: Happy Panda Glück – für die Tiere und fürs eigene gute Gewissen.
Berliner Pandas am Rheinufer
In „Die Rache der Panda-Pussies“, einer Kooperation von Vanessa Stern mit dem Berliner Theater Thikwa, ist gleich zu Beginn auch eine Filmcrew vor Ort, um einen Dokumentarfilm über das Panda-Institut zu drehen. Zu unserer Verwirrung tragen aber auch sie Panda-Kostüme, heben sich also visuell nicht von den Panda-Performer*innen ab. Wir erfahren, dass neben der Verkleidung auch wichtig sei, sich mit „Pandapippi“ einzureiben, um nicht aufzufallen.
Schnell wird deutlich: innerhalb des Produktionsteams herrschen die Eigenarten einer Hierarchie. Die Regisseurin ist kontrollsüchtig und fürchtet sich vor einem „Königsmord“. Die Assistenz ist versessen auf die Übernahme der Leitungsposition und die Kamera- und Tonfrauen sind unterbezahlt und beginnen zu revoltieren. Auch die potentielle Nachfolgerin der Institutsleitung scheint in einem zermürbenden Zustand zwischen Hoffnung und Furcht vor der Zukunft festzuhängen, der sie das Jetzt völlig vergessen lässt. Nicht die besten Voraussetzungen für Happy Panda. Kommentiert werden die Ereignisse von einer Moderatorin an der Schnittstelle der Ebenen sowie von der charmanten musikalischen Begleitung durch Ines Hu.
Hierarchien, Hoffnungen, Hilflosigkeit
Zu unseren vielen spannenden „Pandatouri“-Erlebnissen gehört der Fund eines Panda-Ei aus Plastik. Eigentlich ist es kein Ei, sondern ein Flummi. Doch was hat das zu bedeuten? – Es stellt sich heraus: Das Pandagehege und die zahlreichen Situationen des Film-/Forscherteams stehen metaphorisch für das Ensemble, für die Theaterbranche selbst. Der Flummi spielt auf den Vorschlag einer Darstellerin an, die gern eine Flummitauschbörse im Rahmen der Gruppe gehabt hätte. Ein Akt künstlerischer Mitbestimmung? Eher nicht, sei der Vorschlag doch von der Regisseurin abgelehnt worden. Worum geht es mit der Panda-Analogie? Zu was möchte das Institut die Pandas ausbilden? Zur (fremdbestimmten) Selbstständigkeit? Welche Rolle spielt der Wille der Pandas hier?
Lost – zwischen Panda-Analogien und Meta-Ebenen
Sterns Stück ist durchsetzt von feministischen Diskursversatzstücken – von Machtmissbrauch und Tyrannei(en) der Ranghöchsten über Klimaschutz und Umweltzerstörung bis zur Tabuisierung weiblicher Wut im Kunstbetrieb und darüber hinaus. All diesen Problemfeldern widmet „Die Rache der Panda-Pussies“ seine Aufmerksamkeit. Dabei fällt es im Laufe des Abends allerdings zunehmend schwerer, den verschiedenen (Meta-)Ebenen zu folgen. In all der schleifenförmigen Selbstreflexivität scheint der Inszenierung aber auch das noch selbst bewusst zu sein. Schließlich lässt sie Pia Koch alias Pandia als narrative Stimme feststellen, dass ihr Verschwinden den Zuschauenden wohl endgültig die Chance nehmen werde, den Ereignissen folgen zu können.
Sympathie durch Komik
„Die Rache der Panda-Pussies“ ist ein turbulent-chaotischer Abend vom und über das Theatermachen. Das gleichbleibende und einheitliche Kostümbild, die Länge der Aufführung und die Dichte an Szenen erschweren es, zwischen den Ebenen fiktives Pandainstitut/Meta-Diskurs zur Kunstproduktion zu springen. So geht in dem ganzen Bühnentreiben zuletzt auch etwas verloren, was genau jetzt eigentlich zu welchem Zweck kritisiert wird.
Was man aber deutlich spürt und den Abend sympathisch macht, ist seine Kraft, diese gesellschaftlich relevanten Themen mit den Mitteln von Witz und Komik anzugehen. Und so nehmen wir einen Rat gern mit nach Hause: Wenn in der Wut alle Stricke reißen: Holz hacken. Oder meditieren. Oder beides.