Vorhänge flattern, Nebel quillt hervor, Orgeltöne wabern verzerrt durch den Raum. Eine Braut erscheint mit langen schwarzen Haaren, rotem Lippenstift, verschleiert. Die roten Rosen hält sie sich vor die Brust. Sie geht langsam, als schritte sie zum Altar. Kurz steht die Zeit still.
Die Braut ist Undine, der Wassergeist, der so gerne ein Mensch wäre. Sie ist eine der vielen „Die Frauen vom Meer“ in Olga Bachs Stück, mit dem das Berliner RambaZamba-Theater bei Grenzenlos Kultur gastiert. Bachs Text knüpft an Henrik Ibsens Drama „Die Frau vom Meer“ an und spielt einige Jahre nach dessen Handlung. Ellida wohnt mit ihren beiden Stieftöchtern Hilde und Bolette auf dem Land nah am Meer. Ihren Mann hat sie vor längerer Zeit ermordet – er irrt aber immer noch als Geist umher. Ebenso wie der Wassergeist Undine. Beide kann aber nur Ellida sehen. Abwechslung vom öden Landleben bringt nur der Besuch der Malerin Lyngstrand und der Freund Bolettes, der ebenfalls zu Besuch gekommen ist.
Paula Wellmann legt mit ihrer Bühnengestaltung die Grundlage für eine kalte Atmosphäre. Links und rechts der Bühne erstrecken sich geflieste Kabinen, vor denen weiße Plastikvorhänge herabfallen. In der Mitte steht eine Art Brunnen voller Ascheflocken, in dem sich bevorzugt die Geister tummeln. Erkennbar sind sie an ihrer rein weißen Kleidung. Hinten schließt die Bühne mit einer ebenfalls gefliesten Mauer ab, auf der Lyngstrand malt. In der Mitte dieser Wand hängt ein Bild. Es zeigt eine Frau, die hinaus auf das Meer schaut. Das Bild zitiert Caspar David Friedrichs Werk „Mönch am Meer“.
Bachs Stück verhandelt mit dem Ibsen-Personal die Frage eines selbstbestimmten, freien Lebens. Ist das überhaupt in Zweierbeziehungen möglich? Oder, im Falle der Künstlerinnen, ohne ökonomische Absicherung? Wirklich frei sind hier nur die Geister, während Lilja Rupprechts einstündige Inszenierung eher im Korsett des Texts feststeckt. Bilder? Sind auch einige vielversprechende dabei. Das Unglück schmeckt man förmlich auf der Zunge. Obwohl viele Figuren anwesend sind, wirkt die Szenerie verlassen. Das Meer als Sehnsuchtsort scheint immer in greifbarer Nähe zu sein. Doch wirkt es eher bedrohlich statt befreiend.
Einmal erzählt Ellida die Geschichte von Frauen, die freiwillig ertranken und zu Robben wurden. Angela Winkler sitzt dabei auf dem Brunnenrand und spricht wie von fern, ihre Stieftochter Bolette (Nele Winkler) lauscht neben ihr gebannt. Ellida ergreift das Wort, bricht immer wieder ab, wird von Wangel unterbrochen – den nur sie hören kann. Hilde (Juliana Götze) will das alles nicht hören. Denn die Robbengeschichte stellt eine romantisierte Version des Todes dar.
Wie nach dem frischen Erwachen aus einem Traum ist die Sehnsucht Ellidas fast greifbar. Man kann nicht umhin sich vorzustellen, dass auch Ellida eine Robbe war. Hier wirkt es möglich, vom Geist zur Frau und von der Frau zum Geist zu werden. Der Tod scheint eine Form der Freiheit zu bieten.
Schön, wie Juliana Götzes Hilde mit Zora Schemms Malerin flirtet oder energisch ihre Meinung vertritt und sich Hieu Phams Undine so bedächtig bewegt, wie es nur Verstorbene können. Das eigentliche Problem des Abends allerdings ist, dass man im Kleinen Haus akustisch oft aufgeschmissen war – was im Angesicht der Poesie des Textes eine kleine Katastrophe darstellte. Da hätten mehr Bilder geholfen!
Wie etwa das von der Frau am Meer mit seiner trüben, eisigen Stimmung. Es ist nicht schwer sich den kalten Wind im eigenen Gesicht vorzustellen. Rettung aus der eisigen Stille bietet der hämmernde Bass, für den Musikerin Friederike Bernhardt am Bühnenrand sorgt und zu dessen Klang sich Lyngstrand und Hilde bewegen. Doch Rettungsinseln wie diese sind knapp gesät. Am Ende des Abends bleibt ein Frösteln.