Wackelpuddingparty in Zeitlupe

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Nicht ohne meinen Pudding: Manaho Shimokawa und Michael Turinsky © Holger Rudolph

 

Bebende Körper: Michael Turinskys “my body, your pleasure“ eröffnet den Tanzschwerpunkt bei Grenzenlos Kultur vol. 18

Es ist still im dunklen U17. Die einzigen Scheinwerfer richten sich auf Aleksandar Georgien und Leon Marič. Beide Darsteller befinden sich auf der Bühne und sitzen jeweils auf einem Stuhl – mit direktem Blickkontakt zu den einzelnen Zuschauern. Dann beginnen die Schultern zu zucken, der Kopf wackelt, Beine und Arme verrenken sich, ihre Mimik gerät außer Kontrolle. Die Stille ist noch da, trotz der nun unangenehmen Gesichtsausdrücke der Darsteller. Der Blickkontakt ebenso. Für den Zuschauer gibt es keine Möglichkeit den Blick abzuwenden. Denn wo sollte man in einem stillen, dunklen Raum sonst hinschauen?

Es scheint, als wolle der von Geburt an körperlich behinderte Tänzer Michael Turinsky dem Zuschauer die Zeit geben um sich auf die unkontrollierbaren Bewegungen seiner Spasmen, die er für die Performance “my body, your pleasure“ auf seine Tänzer projiziert, einlassen zu können. Geschieht dies, fängt die Party an.

Die beiden Musikboxen, die sich hinter den Tänzern befinden, beginnen zu vibrieren: Lauter Hip-Hop und starke Beats tragen die schüttelnden Körper der Tänzer. Die Darsteller sind völlig außer sich. Es scheint als würden sie den Alltagsstress mit aller Kraft von ihren Körpern abschütteln wollen. Sie bewegen sich in alle Richtungen, die Haare fliegen hin und her, die Gliedmaßen ebenso. Währenddessen sitzt Turinsky im Hintergrund auf dem Boden. Vor ihm ein Laptop, neben ihm ein Rollstuhl. Er ist der DJ dieser Party und nickt mit dem Beat. Allmählich gelingt es ihm, die unangenehme, ernste Atmosphäre, die bislang den Raum gefüllt hat, ironisch in einen unterhaltsamen Partyraum umzuwandeln.

Triumph der Außenseiterposition?

Ja, es sind außergewöhnliche Körperbewegungen, aber mit der passenden Musik wirken sie nicht mehr fremd. Im Gegenteil. Bewegen wir uns nicht ähnlich entgrenzt und ekstatisch, wenn wir tanzen, unsere Augen schließen und unserem Körper seinen Lauf lassen?

Im zweiten Teil nehmen zwei weitere Tänzerinnen Teil an Turinskys Party. Der Abend eskaliert: Eine Tänzerin im knappen Bikini reibt sich mit Wackelpudding ein und der impulsive Beat von Beyoncés “Drunk in Love” bringt alle vier Darsteller in einen Gleichklang. Die unkontrollierbaren Bewegungen transformieren sich in einen eleganten Tanz in Zeitlupe. Langsame Bewegungen, die Turinsky nicht möglich sind. Dennoch sind sie durch ihn geprägt, wirken sie auch jetzt spasmisch. Keiner tanzt aus der Reihe. Alle sind gleich. Ist das jetzt der Triumph der Außenseiterposition in der Gemeinschaft? Oder die Banalisierung des Besonderen in der Masse?

Der Abend endet mit einer Schlacht aus Kartonkisten; Turinsky befindet sich mittendrin. Die Darsteller und der Choreograph schreien, schleudern, fallen. Ein unangenehmer Beginn entwickelt sich zu einer Party und endet mit einem energischen Ausbruch aus den Gesetzen der Gesellschaft.