Ein Bericht zum deutsch-ukrainischen Bühnenereignis von und mit TOUCHDOWN21 und atelier normalno
Am Abend des 28. September 2022 wird die Kakadu Bar des Mainzer Staatstheaters im Rahmen des Festivals Grenzenlos Kultur zur Bühne für die Kollegen und Kolleginnen des TOUCHDOWN21 Instituts und des ateliers normalno. Entlang von Videoprojektion, kleiner Arbeitsproben, Handpuppen und einer neugierigen Pinguinfigur führt uns
durch den Abend. Unter dem Titel „Was wichtig ist / ЩО ВАЖЛИВО“ werden Erfahrungen geteilt, Briefe vorgelesen, persönlichen Erkenntnissen gelauscht und gemeinsam stellt man sich die titelgebende Frage nach dem, was wichtig ist: Was soll die Welt über Menschen mit Down-Syndrom erfahren?
Antworten geben Natalie Dedreux, Anna Sapon und Yevhen Holubentsev und im Laufe des Abends räumen sie mit Vorurteilen gegenüber Menschen mit Trisomie 21 auf. Mal aus eigener Perspektive, mal in Vertretung für Mitwirkende des TOUCHDOWN21 Instituts schildern sie, welche Erwartungen sie an die Welt und an die Zukunft haben, was die Arbeit in der Kunstwelt ihnen bedeutet, wie sie zur Schlagermusik stehen und wie enorm wichtig persönliche Selbstbestimmung ist. Dabei sorgt Anne Leichtfuß, Mitbegründerin von Touchdown21, für die Übersetzung vom Englischen ins Deutsche.
TOUCHDOWN21 – wo man forscht und fragt
TOUCHDOWN21 ist ein Forschungsinstitut in Bonn, das sich aus Mitarbeiter*innen mit und ohne Down-Syndrom zusammensetzt und neben Aufklärungsarbeit auch Forschung zu Trisomie 21 betreibt. Gemeinsam mit Projektpartner*innen in der Ukraine und unter Leitung der Biologin und Humangenetikerin Katja de Bragança forscht und lehrt das Institut, betreibt Kunstaustellungen und ‚tingelt‘ mit der „Touchdown-Mini“-Performance durch deutsche und ukrainische Städte. Im Fokus stehen Fragen und Antworten rund um Menschen, die das Down-Syndrom haben. Was bedeutet das überhaupt: Trisomie 21? Welche Vorurteile müssen abgebaut werden? Wie sieht es mit der Eigenverantwortung im Alltag aus?
Teamarbeit und Selbstbestimmung
Besonders das Recht über das eigene Leben bestimmen zu dürfen, müsse teilweise immer noch erkämpft werden, erzählt Dedreux. Kollegin und Dolmetscherin des Abends, Valeria Tarasenko, berichtet, in der Ukraine sei man gelegentlich der Auffassung, dass Menschen mit Down-Syndrom wie Kinder seien. „Das stimmt nicht“, lenkt Dedreux ein. Die Idee, Menschen mit Down-Syndrom seien kindlich oder könnten nicht selbstständig zurechtkommen, sei schlichtweg falsch. Aber natürlich sei Teamarbeit nützlich, ob bei der Arbeit oder im Alltag. Da gäbe es hin und wieder Dinge, da sei Hilfe schon sinnvoll. Zugreisen zum Beispiel. Aber niemals dürfe die eigene Freiheit zur Selbstbestimmung darunter leiden. Tipps geben könne man immer, aber sich einmischen in das Leben anderer solle man lassen, stellt Natalie Dedreux klar.
Kunst statt Krieg
Anna Sapon, Valeria Tarasenko und Yevhen Holubentsev arbeiten momentan nicht in Kyiv, sondern stellen ihre Kunstwerke im Kunsthaus KAT18 in Köln aus. Die Arbeit als Künstlerin sei ihr sehr wichtig und in Köln male sie mehr als je zuvor, berichtet Sapon. Auch Holubentsev erzählt von seiner Tätigkeit als Künstler, er arbeite dort wie Spiderman. Um das schwere Thema des Ukraine-Krieges kommt das Bühnenereignis an diesem Abend nicht herum. Natalie Dedreux trägt Texte vor, teilt Eindrücke und Gedanken, die jene Projektpartner*innen und Kolleg*innen verfasst haben, die in der Ukraine ausharren müssen oder wollen. Es sei kalt dort, Wärme komme nur vom Ofen. Man könne nicht über den Krieg sprechen. Bomben, Panzer. Das sei alles. Auch Wünsche für die Zukunft gibt es von den Freunden und Freundinnen aus der Ukraine: Glücklich sein, viel Herz und viel Liebe. Frieden. Und dass niemand sterbe.
Umso wichtiger sei das Festival für die Kunst und die Künstler*innen, betont Katja de Bragança später am Abend. Es sei definitiv ein wichtiges Zeichen in diesen Zeiten. Kunst statt Krieg wolle und müsse man den nötigen Raum geben.
Abschied von der Ahnungslosigkeit
Der performative Vortrag lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass das, was Touchdown21 und atelier normalno an Aufklärungsarbeit leisten von höchster Relevanz ist – und vor allem, dass es wirkungsvoll ist. So erzählt de Bragança von einem Mann, der bei seinem Besuch der Ausstellung in Bonn erkannt habe, seinen Studierenden jahrelang fehlerhaftes Wissen über die vermeintliche äußere Ähnlichkeit von Menschen mit Down-Syndrom vermittelt zu haben. Menschen mit Down-Syndrom seien einander ähnlicher als den eigenen Familienmitgliedern, habe seine Auffassung gelautet. Erst nach Betrachtung einer Foto-Strecke von rund 36 Porträts, die Menschen mit dem Down-Syndrom zeigten, war ihm klargeworden; er – ein Arzt – hatte falsch gelegen.
Die ein oder andere Übereinstimmung, wie die Liebe zur Schlagermusik, sei dann wohl aber doch tatsächlich ein stichhaltiges Attribut, das einige der TOUCHDOWN21-Mitarbeiter*innen verbinde, scherzt das Team an diesem Abend, ob nun Helene Fischer, Beatrice Egli oder Oleh Wynnyk. Schlager – darauf können sich die meisten einigen.