Gestatten: Mr. Glubschauge. Jackie Hagan entfernt ihre Beinprothese, entblößt Schutzstrumpf für Schutzstrumpf ihren Oberschenkel. Mit einem schwarzen Edding malt sie zwei große Cartoon-Augen auf, die jetzt oberhalb ihres Knies hervorglubschen, kurz bevor das Bein aufhört. Der Stumpf plaudert mit seiner schief herumschlabbernden Narbe als Mund dümmlich daher. Es ist zum Brüllen komisch.
Mit „This is Not A Safe Space” hat die britische Performerin Jackie Hagan ein humorvolles und originelles Mittel gefunden, um sich gegen die Herabwürdigung der working class und der Bloßstellung von Menschen mit Behinderung zu wappnen. Sie, die von der Gesellschaft Marginalisierte, verschafft sich provokant Gehör. Zum Beispiel, indem sie den Spieß umdreht: Einem Psychiater, der ihr übergriffige Diagnosen erstellte, schreibt sie eine ehrliche Sitzungsbewertung. Ihr Leben zwischen Sozialsystem und Alltag in der Arbeiterklasse verpackt sie geistreich in schamlos saure Gedichte. Dabei geht sie sehr großzügig mit Schimpfwörtern um. Gerne bezieht sie das Publikum ein: Nachdem sie Aufzeichnungen mit Interviews einspielt, die sie mit Menschen geführt hat, die ebenfalls auf staatliche Unterstützung angewiesen und dabei oft verzweifelt sind, verteilt sie ihren Besitz: Puppen zum Beispiel, oder honoriert Zuschauer*innen, die auf ihre Fragen reagieren, mit Gummibärchen.
Hagans Kostüm schreit nach „I want to marry an octopus”, wie sie es selbst formuliert. Sie tentakelt mit ihren bunten Haaren und vielen Tattoos an den Armen in einem schrulligen Kraken-Tutu über die Bühne. Mit ihrer lässigen Stimme versprüht sie einen selbstironischen Charme voller Leichtigkeit und Intimität. Zugleich reagiert sie sensibel auf die Reaktionen des Publikums, die sie direkt kommentiert: „Who says German people don’t laugh?“ Neben ihr steht Julia Cramer in einem passend bunten Outfit mit Käppie. Sie ist die Dolmetscherin für Deutsche Gebärdensprache und wirkt als integraler Teil der Inszenierung wie eine Dialogpartnerin.
Hagan kritisiert in ihrer One-Woman-Show die endlosen Formulare, mit denen sie sich befassen muss, um staatliche Förderung zu erhalten. Sie vergleicht das Gefühl beim Ausfüllen mit dem Verpacken von Scheiße in Glitzer. Diese Performance öffnet die Augen für das Leben hinter dem Glitzer. „This is not a fairytale“. Es ist bitter. Berührend. Und sehr komisch.