Sängerin, Tänzerin, Wassergeist

Undine will Mensch werden. In einem langen weißen Kleid geistert sie über die Bühne. Eine unheilvolle Gestalt aus dem Jenseits, die sich nach der menschlichen Welt verzehrt. Mal neckt sie die Lebenden von einem Aschebecken aus, mal schreitet sie im Brautkleid und mit Schulmädchenlächeln an die vordere Bühnenkante. Sie klagt an, träumt sich weg und nimmt am Ende ihr Schicksal selbst in die Hand.

Hieu Pham im Gespräch mit Elisabeth Roth © Holger Rudolph

Gut zwei Stunden später sitze ich zusammen mit Hieu Pham, der Darstellerin der Undine, in der Kantine des Mainzer Staatstheaters. Die Vorstellung von „Die Frauen vom Meer“, eine Produktion des RambaZamba Theaters, und ein Aufführungsbesuch bei Theater Thikwa liegen hinter ihr.

Hieu Pham ist seit 2012 professionelles Ensemblemitglied beim RambaZamba Theater, einem der größten und wichtigsten inklusiven Theater in Deutschland. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie allerdings schon einiges an Theatererfahrung vorzuweisen: „Ich hab zwei Schulen gemacht. Auf der einen Schule hatte ich Schauspiel für Schüler*innen mit Sehbehinderung. 2007 habe ich die Schule gewechselt. Da hab ich dann Schwarzlichttheater gemacht.“ Bei RambaZamba ist Pham inzwischen seit sieben Jahre dabei und an 13 Inszenierungen beteiligt; mit „Dada-Diven” war sie 2016 schon einmal bei Grenzenlos Kultur zu Gast.

Hieu Pham als Undine mit Nele Winkler als Bolette © Holger Rudolph

Bei der nächsten Premiere von RambaZamba im November wirkt Hieu Pham zwar nicht mit, sie hat allerdings auch abseits der Theaterbühne noch zahlreiche andere Projekte, von denen sie gerne erzählt. So zum Beispiel ihre Band „Downbeat 21“, die aus fünf Darsteller*innen des RambaZamba-Ensembles besteht und vom Komponisten Leo Solter geleitet wird. Pham ist die Sängerin der Gruppe. Regelmäßig treten sie bei der Veranstaltungsreihe „Hi Freaks“ auf.

Hieu Pham ist vielseitig begabt: Sie singt, sie tanzt, steht auf der Bühne und vor der Filmkamera. Zwischen ihrer Arbeit am Theater und einem Filmdreh macht sie allerdings keinen großen Unterschied. „Es ist alles Schauspiel.“ Ihre Familie unterstützt sie bei ihren vielen Verpflichtungen: „Meine Eltern haben mir den Rücken freigehalten und waren immer für mich da.“

Hieu Pham als Undine in “Die Frauen vom Meer” (mit Joachim Neumann) © Holger Rudolph

Im Gespräch ist die Schauspielerin freundlich, aber zurückhaltend. Anders auf der Bühne: In „Die Frauen vom Meer“, der Inszenierung von Lilja Rupprecht mit der RambaZamba bei Grenzenlos Kultur zu Gast war, sticht Hieu Pham deutlich heraus. Die einzige nicht menschliche Figur in Olga Bachs Stück spielt sie mit einer unheimlichen Intensität. „Für mich war es anfangs erstmal schwierig und nach und nach habe ich mich bei den Proben zu Undine entwickelt.“, erzählt Pham. Das Ergebnis ist eine beeindruckende Darbietung. Den Wassergeist spielt sie ruhelos, bedrohlich und mystisch wie das Meer, um das sich die Inszenierung dreht. Hieu Pham selbst war noch nie am Meer. Ob sie gerne mal hin würde? „Vielleicht“, überlegt sie. „Zur Abwechslung. Wenn ich mal Zeit habe.“