Drei Frauen warten auf ihren Auftritt: Alfa, Beaty und Coral (Bea Webster, Ruth Curtis, Stephanie Lacey) stehen in ihren pinken, pompösen Kleidern irgendwo zwischen Barock und Marzipantorte auf der Bühne, die hier nur die Hinterbühne ist. Denn sie sind – so will es Autorin Kaite O‘Reilly – Chormitglieder in einer Inszenierung von Euripides „Die Troerinnen“. Schauspielerinnen mit Behinderung, engagiert, um der Produktion eine inklusive Note zu verleihen: Alfa ist taub und gebärdet, Beaty hat chronische Schmerzen und nutzt einen Rollator, Coral sitzt in einem Rollstuhl.
Noch mehr als auf ihre kargen Auftritte warten sie in O’Reillys „Peeling“ der britischen Gruppe Taking Flight Theatre darauf, dass die Gesellschaft sich ändert. In ihren Auftrittspausen unterhalten sie sich, streiten auch mal miteinander. Immer mit dabei: Erin Siobhan Hutching, die eine Bühnentechnikern spielt, die das Gesagte in British Sign Language übersetzt. Zwei Bildschirme an den Seiten geben den Text schriftlich wieder. Außerdem beschreiben die Darstellerinnen ihre Handlungen selbst so, dass sie blinden Menschen als Audiodeskriptionen dienen können.
Die Schauspielerinnen spielenden Schauspielerinnen schneiden in den 90 Minuten viele Themen an. Ist es richtig, als Frauen mit Behinderung Kinder in die Welt zu setzen? Sind sie es wert, geliebt zu werden, von Männern, der Familie? Ist Pränataldiagnostik Euthansie? Auch Cripping Up diskutieren sie, also den Umstand, dass Menschen ohne Behinderung Menschen mit Behinderung spielen. Alfa fasst die Debatte gut und zynisch zusammen: „Cripping Up is the 2010ths Blacking Up“.
Das eigentliche Thema des Abends aber ist, was es heißt, nur eine Nebenrolle zu spielen. Auf der Bühne warten die drei auf ihr Stichwort für ihren Platz in der letzten Reihe. Sie sind dort hinten gefangen. Hauptrollen? Ausgeschlossen. Auch im realen Leben kommen sie nicht zum Zug, sind in ihrer Rolle als „der Mensch mit Behinderung“ gefangen: Immer ist jemand gesünder, besser, hübscher als sie. Sie sind „müde, immer nur die Dekoration zu sein“, wie es Coral einmal sagt.
Das Problem von O’Reillys Stück ist, dass es viele Themen nur anreißt, als solle alles, was einmal gesagt werden muss, einmal gesagt werden. Dadurch bleibt die Diskussion oberflächlich. Die Botschaft, dass Menschen mit Behinderung ausgegrenzt, eingesperrt sind, kommt an. Allerdings wäre sie möglicherweise noch stärker durchgedrungen, wenn man sich auf einzelne Aspekte konzentriert hätte.
Die Gesprächsszenen sind aber trotzdem eine gute Abwechslung zu den teils statisch wirkenden Chorszenen in Elise Davisons Inszenierung. Es ist unterhaltsam, dabei zuzugucken, wie sich zwei der Darstellerinnen beispielsweise wegen Kochrezepten in die Haare kriegen, während die dritte trocken durch gesprochene Audiodeskriptionen die Mimik der Streitenden beschreibt und die niemals von der Seite weichende Bühnentechnikerin entsprechend heftig gebärdet. Am Ende haben sich die Schauspielerinnen körperlich – unter den Kleidern verstecken sich weitere Kostüme – und seelisch gehäutet. Nur an ihrem Ort, der Hinterbühne des Theaters wie des Lebens, hat sich nichts geändert. Wann kommt der Ausbruch? Und wer unterstützt sie dabei?