“Der Aufwand wird größer”

Andreas Meder im neuen Festival-Café, noch vor der Eröffnung © Holger Rudolph

Festivalleiter Andreas Meder spricht im Interview über das diesjährige Programm, Veränderungen und Vorfreude

Herr Meder, das Festival besteht jetzt schon seit 20 Jahren. Wie hat es sich in dieser Zeit verändert?

Am Anfang war es ganz klar so, dass das Festival eine Veranstaltung der Lebenshilfe war, die sich auf Gruppen mit geistiger Behinderung fokussierte. Für mich war es wichtig, ein thematisch orientiertes Festival zu organisieren, bei dem sowohl behinderte als auch nicht behinderte Künstlerinnen auftreten. Dadurch entstehen eben auch Stücke, in denen die Künstlerinnen ganz andere Wahrnehmungsweisen und andere Ausdrucksmöglichkeiten haben. Die Stücke werden dann zwar in aller Regel keine Shakespeare Monologe beinhalten, aber auf anderen Wegen sehr komplexe Zusammenhänge darstellen.

Wobei es beim Festival auch schon Shakespeare gegeben hat, zum Beispiel letztes Jahr den “Sturm”.

Stimmt, in einer reduzierten Fassung. Und in “Love Lost Love” vom Theater Ramba Zamba gab es auch schon mal Shakespeare-Monologe. Grundsätzlich ist es aber so, dass wir ein viel offeneres Tanz-, Theater- und Performancefestival für alle möglichen Künstler mit verschiedenen Behinderungen und Theaterästhetiken geworden sind. In diesem Jahr haben wir zum Beispiel mit Jess Thom und “Not I” eine sogenannte “relaxed” Performance im Programm, in der das Publikum aus Sicht der Künstlerin eine größere Bedeutung einnimmt. Menschen, die nicht sitzen können, haben hier eine Liegemöglichkeit und das, was auf der Bühne gesprochen wird, wird simultan von einem Gebärdensprachdolmetscher übersetzt. Auch in diesem Jahr bieten wir wieder Audiodeskription für Gehörlose an.

Wie haben sich die Herausforderungen in den letzten 20 Jahren verändert?

Es ist vor allem viel mehr Arbeit. Früher haben wir einfach eine Broschüre gedruckt, heute haben wir auch Zuschauer*innen mit Behinderung im Blick und drucken die Texte auch in einfacher Sprache. Hier für Mainz haben wir sogar eine eigene Website, die es auch in englischer Version gibt. Das passiert alles nicht von selbst, denn auch unser Programm wird immer dichter. Am ersten Wochenende sind dieses Jahr 90 Künstler zu Gast. Wir stellen für jede Gruppe eine eigene Künstlerbetreuung, von daher ist der Aufwand heute um einiges größer.

Das Motto dieses Jahr lautet Industriekultur. Warum?

Wir sind ein Projekt des Kultursommers Rheinland-Pfalz und bekommen seit Anbeginn eine Förderung. Der Kultursommer wählt das Jahresmotto, dem wir ein Stück weit gerecht werden möchten, damit aber oft spielerisch umgehen. In diesem Jahr haben wir das Thema Industriekultur etwa in Richtung Unterhaltungsindustrie weitergedacht, zeigen aber auch Arbeiterkultur, gesellschaftskritische und utopische Stoffe.

Wie entscheiden Sie, wen Sie zum Festival einladen?

Zunächst wollen wir ein spannendes, hochwertiges Performancefestival veranstalten und schauen einfach, dass wir Gruppen mit behinderten Künstler*innen unterbringen und dass wir auf sehr hohem Niveau einzelne Sachen präsentieren. Ich finde thematische Arbeit wunderbar, da hat man so eine Inspiration und weiß genau wonach man schaut. Natürlich muss man erst mal einen Weg finden von still gelegten Fabriken hin zum Theater mit besonderen Darstellern.

Sie haben das Festival gegründet und leiten es seitdem. Warum eignen gerade Sie sich für diesen Job?

Als ich 1997 von der Lebenshilfe Rheinland-Pfalz gefragt wurde ob ich nicht eine Kulturwoche mit behinderten Künstler*innen veranstalten wolle, hatte ich eigentlich gerade ein Promotionsstipendium in der Theaterwissenschaft der Uni Mainz. Ich wusste aber nicht ob das so der richtige Weg für mich ist. Über meine Tätigkeit als Veranstalter des Open-Ohr-Festivals hatte ich auch schon ein paar Erfahrungen gesammelt und bin so ganz zufällig dazu gekommen. Dass es gut funktioniert, ist ein noch schönerer Zufall.

Haben Sie denn auch Menschen mit Behinderung in Ihrem Team, die auch an der Auswahl der Stücke beteiligt sind?

Wir sind ein ganz kleines Team bei dem hin und wieder auch Menschen mit Behinderung mitarbeiten. Aber so im Büro sitzen ja nur ich und eine Kollegin. Alles andere sind Hilfestellungen von außen, die partiell kommen und durchaus auch von Menschen mit Behinderung. Aber man kann nicht sagen, dass wir ein festes Team haben, das aus Menschen mit Behinderungen besteht.

Haben Künstler*innen durch das Festival Bekanntschaft erreicht, außerhalb der lokalen Grenzen?

Ja, ich denke schon, dass wir über die Jahre vielen Künstlergruppen geholfen und dazu beigetragen haben, dass Gruppen über ihren Heimatort hinaus bekannt werden. Manche Gruppen, die wir häufiger eingeladen haben, ziehen auch ein sehr großes Publikum an. Zudem gibt es auch behinderte und nicht behinderte Künstler*innen die sich auf den Festivals einfach kennengelernt und sich entschieden haben etwas zusammen zu machen.

Über welche Produktion freuen Sie sich dieses Jahr am meisten?

Ich finde unser Programm in diesem Jahr so gut und aufregend, dass ich mich auf ganz viele freue. Wir hatten aber ganz besonders viel Aufwand im Vorfeld mit dem Stück “Not I” und da freue ich mich unglaublich, wenn das endlich losgeht und sicherlich ein großer Erfolg hier sein wird.