Wer besucht eigentlich das Grenzenlos-Kultur-Festival? Ein Blick ins Publikum
Diese zauberhaften Augenblicke zwischen Platz suchen und Aufführungsbeginn: Das erste Mal den Sitz für die nächsten anderthalb Stunden spüren. Nach rechts und links ein freundliches “Hallo“, ein Kopfnicken. Den Stress vom Tag den Stress vom Tag sein lassen. Letzter, kurzer Blick ins Programmheft. Verheißungsvolles Gemurmel im Saal. Und alle Augen sind nach vorne gerichtet. Höchste Zeit für einen Perspektivwechsel: ich drehe mich auf meinem Sitz in der ersten Reihe um.
Ich sehe ältere Damen mit Weingläsern in den mit Filzringen geschmückten Händen. Sie tragen Samtblazer und Statement-Brille. Graue Haare sind für sie ganz bestimmt nichts zum überfärben. Sie genießen sichtlich ihr Leben und Kulturveranstaltungen sind ihr Revier. Ich sehe Menschen, die sich in Geselligkeit wohlfühlen, die interessiert sind. Menschen, die es lieben, die Fernbedienung gegen ein Programmheft des Grenzenlos-Kultur-Festivals einzutauschen. Und das Smartphone auch mal einen ganzen Abend lang in der Tasche lassen.
Respekt vor der Kunst
Ich sehe hippe, junge Studenten, augenscheinlich Vegetarier, wenn nicht sogar Veganer. Ihre Klamotten? Natürlich vintage. Ihr Essen? Natürlich Bio. Ein Mädchen mit blonden geflochtenen Zöpfen erzählt mir, sie studiere Soziale Arbeit: “Da interessiert man sich einfach für die Arbeit mit behinderten Menschen.”
Es ist ein flexibles Publikum und es ist unkompliziert. Kein Bodenkissen ist zu hart, keine Umbaupause zu lang und keine Hallenbad-Luft zu schwül. Es ist aber auch ein professionelles Publikum. Es erkennt Qualität, wenn sie auf der Bühne steht. Und es hat Respekt vor der Kunst. Während die Theatergruppe RambaZamba die Bühne rockt, höre ich anerkennendes Lob von den Plätzen um mich herum.
Nach der Vorstellung holen sich viele Besucher noch ein Getränk an der Bar. Sie genießen den heimelig-beleuchteten Biergarten des KUZ und die milde Herbstluft der hereinbrechenden Nacht. Sie reden über die Aufführung, über andere gesehene Inszenierungen, über das nächste Kultur-Event.
Wo sind die Schüler?
Was ich im Publikum nicht sehe: Jugendliche unter 18 Jahren, Schüler und Schülerinnen. Wo seid ihr? Außerdem: auffällig wenig Menschen mit Behinderung.
Ich sehe ein Publikum, in dem ich mich wohlfühle. Menschen, wie sie mir an meiner Fakultät begegnen. Ich lausche den klirrenden Weingläsern, dem Klackern der Ausgeh-Schuhe und kultivierten Gesprächen. Und finde plötzlich auch die Augenblicke zwischen der Aufführung und dem Nachhausegehen zauberhaft.
apropos Publikum: http://mainzbeinacht.wordpress.com/2014/09/18/grenzenlos-kultur/
Ich denke mal, die SchülerInnen dürfen unter der Woche nicht so spät ins KUZ zu den Vorstellungen und für Menschen mit Beeinträchtigungen bringt so ein Abendausflug ziemliches Durcheinander in die geregelten Abendrituale??!
Vielleicht eine Idee für die Zukunft, auch Nachmittags die eine oder andere Vorstellung anzubieten?