Gesichter des Festivals VI: Carsten Schnathorst ist einer der Musiker bei der Produktion „SCHWARZWEISS“ – und ein begnadeter Sänger
Wenn man ihn nicht sieht, glaubt man, die Stimme komme vom Band: In “Schwarzweiss” des Hamburger Ensembles Meine Damen und Herren überlegt man lange, von welcher Platte die tollen Coverversionen bekannter Songs stammen könnten. Bis man Carsten Schnathorst entdeckt, der mit seinem Kollegen Sven Kacirek für Musik und Klänge sorgt. Schnathorst lacht laut und sagt: “Das hab ich schon so oft gehört!”
Mit einem herzlichen “Moin!” reicht mir der 37-jährige Musiker die Hand, schnell einigen wir uns auf das Du. Dann hängt sich Schnathorst an meinen Arm, damit ich ihn zu einem Stuhl führe. Er ist von Geburt an blind – ein Umstand, dem er mit Humor begegnet: Wie er durch das Leben geht? Mit einem Blindenstock! Schnathorst wirkt fröhlich und aufgedreht, in sympathischem Norddeutsch bringt er einen coolen Spruch nach dem anderen. Er ist Teil von barner 16, einem inklusiven Netzwerk von Kunstproduktionen im Hamburger Bezirk Altona. Meine Damen und Herren ist die Theatergruppe dieser Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM).
Innerhalb von barner 16 erhält Schnathorst Gesangsunterricht. Außerdem war er Teil der Band The Living Music Box, absolvierte bereits Soloauftritte und tourt jetzt mit “Schwarzweiss”. Schnathorst genießt die gemeinsame Arbeit mit der Theatergruppe: “Du wirst so richtig eingeknautscht in diese Wärme!” Die Musik begleitet den gebürtigen Osnabrücker sein ganzes Leben, schon als Kind sang er im Schulchor und lernte Orgel. Als Erwachsener arbeitete er zunächst in einer WfbM mit Verpackung und Montage – Musik blieb ein Hobby. Seit 2004 ist er bei barner 16 und somit endlich Berufsmusiker: “Bei Barner wird vieles wahr, da geht’s echt ab!” Dort arbeitet Schnathorst dienstags bis freitags, am Wochenende ist er oft wegen Auftritten “on the road”. Er wohnt in einer Wohngemeinschaft, die von der Hamburger Blindenstiftung betreut wird. Dort lernt man unter anderem “lebenspraktische Fähigkeiten” wie Kochen oder Putzen.
Auf die Frage, was Musik ihm bedeute, antwortet Schnathorst mit John Miles und singt: “Music was my first love and it will be my last, music of the future and music of the past…” Musik ist für ihn die Sprache des Herzen: “Wenn du singst, dann kommt gute Laune in die Seele. Es ist einfach geil!” Besonders gern mag er Pop-Balladen, Folklore, Freddie Mercury (“der allerbeste überhaupt”), Blues, Rock, Reggae, Skar und Musik auf Esperanto – einer Plansprache, die er selbst spricht und in der er eigene Songs schreibt. Schnathorsts offenes und liebenswertes Wesen erfüllt den Raum, seine Gedanken sprudeln aus ihm heraus, mitten im Redefluss baut er gern spontane Gesangseinlagen oder ein begeistertes “Jawollski” ein. Seine Philosophie: “Ihr Lieben, wenn ihr denkt, dass ihr nicht mehr weiterkommt, fangt an zu singen!”