Die Schweizer Band “Les Reines Prochaines” rockt im KUZ
Wir sind wir und Identität ist, was wir uns selber schaffen: Sie möchten Flüsse mit Menstruationsblut füllen, Metzger sein und Operateur (ist ja fast das Gleiche!), stricken und revoltieren – und zwar laut!
Es beginnt aber ganz leise. Inkognito, verhüllt mit schwarzen Schleiern betreten “Les Reines Prochaines” (die kommenden Königinnen) die Bühne des KUZ. Nach 26 Jahren on stage ist es ihr erster Auftritt in Mainz. Als sie die schwarzen Hüllen fallen lassen, kommen knallrote, glitzernde Kleider und gepunktete Strumpfhosen zum Vorschein. So beginnt ihre Suche nach Identität und dem Sinn des Lebens. “Syrup of Life” heißt ihre neue Show – sowohl Konzert als auch Kabarett, Comedy-Show und eine Prise Vorlesung.
Vereint im Menstruationsblut-Strom
Am Rande des Ekels, des Verstandes und des Zusammenhangs singen, schnalzen, blasen, quietschen und performen die Schweizerinnen Michèle Fuchs, Fränzi Madörin, Muda Mathis und Sus Zwick über die Individualität der Frau. Mit ihrem ungehobelten Charme gehen sie bis an die Grenzen (des guten Geschmacks, der Genres) – und weit darüber hinaus.
Während hinter ihr langsam Blut auf die Leinwand tropft, hält Michèle Fuchs einen eindringlichen und bilderreichen Vortrag über Menstruationsblut: Das gesamte Blut von allen Frauen auf der Welt, gesammelt in Seen, Flüssen und Weltmeeren, würde den blauen Planeten in einen roten verwandeln. Interessanter Ansatz: Menstruierende Frauen vereint in ihrem Kampf, der Welt ein rotes Kleid aufzuzwängen. Frisch tätowiert, erläutert Fränzi Madörin, warum ihre Motivwahl auf einen Industriestaubsauger am Oberarm gefallen ist. Kein Bekenntnis zum Putzfimmel, sondern die Erkenntnis, dass er sich so schön den schlabbrigen Arm herunter schlängelt. Noch ist das Kunstwerk mit Frischhaltefolie umwickelt. Es bleibt also die Hoffnung, dass sie sich doch für ein anderes Motiv entschieden hat.
Sei eine Wunde, kein Kunde!
Dass es viele verschiedene Frauen und Feministinnen gibt, zeigt nicht nur eine Diashow, sondern ist auch auf der Bühne nicht zu übersehen. Die “Reines Prochaines” können unterschiedlicher nicht sein: klein und zierlich, groß und robust, rothaarig, langbeinig – aber verrückt sind sie alle. So gibt es Frauen, die stricken, andere revoltieren. Und es gibt Frauen, die stricken und revoltieren. Es folgt ein Song zu Ehren der russischen Punkband “Pussy Riot”, fast wie ihre Schwestern springen, tanzen und headbangen sie über die Bühne. Sie sind auf der Suche nach ihrem Platz im System – nein, sie möchten ihn gar nicht finden. “Sei eine Wunde und kein Kunde im großkapitalistischen System”, schallt durch den Saal.
Warum die Vorstellung mit einer Huldigung an den Verkehrskreisel endet, bleibt offen. Ist damit wieder ein weibliches Körperteil angesprochen? Oder ist es der selbstbewusste Hinweis darauf, dass die Show eine runde Sache war?