“OK OK” ist das vielleicht verrückteste Stück, das man beim Grenzenlos Kultur Festival 2012 erleben kann. Nicht nur, weil es zehn Mal aufgeführt wird, sondern auch deshalb, weil es jedes Mal trotz gleichem Text immer wieder anders gespielt wird. Der Grund dafür ist einfach: Der Zuschauer ist Teil des Stücks.
Da stehe ich nun. Umringt von drei mir völlig fremden Personen. Ich habe sie vor wenigen Minuten das erste Mal gesehen und sie sind mir noch so fremd, das es nicht einmal für Smalltalk gereicht hat. Wir werden in einen Raum geführt, in dem sich vier Stühle befinden. Die beiden männlichen Teilnehmer greifen ebenso zu einem mit ihrem Geschlecht gekennzeichneten Text wie die beiden Frauen. Über den Texten hängt ein Schild mit den Regeln für das Stück: “Nicht bis zum Ende vorblättern” und “Den Markierten Text vorlesen”. Die Situation scheint mir zwar immer noch befremdlich, zu verlieren habe ich allerdings nichts und so beginne ich, meinen Teil des Textes wiederzugeben.
Anfangs wirken die anderen Teilnehmer und ich noch etwas verkrampft, doch schnell stellt sich auch eine gewisse Routine ein. Die Schwierigkeit besteht darin, einerseits seine Einsätze nicht zu verpassen, andererseits aber auch das Gesprochene zu verarbeiten und zu reflektieren. Als mir klar wird, dass mir dies überhaupt nicht gelingen will, spricht der Text plötzlich genau jene Problematik an. Ich hebe meinen Kopf vom Text nach oben und höre das Lachen der Runde. Es geht den anderen Teilnehmern nicht anders. Die Stimmung lockert sich deutlich. Plötzlich wird mir klar, dass wir alle im selben Boot sitzen und die zu bewältigende Aufgabe immer lustiger wird.
Die Texte sind intelligent geschrieben, erfassen präzise die Probleme, die sich zwangsläufig ergeben. Wie rede ich meine Mitspieler an? Und wie schaffe ich es eigentlich überhaupt, sie beim Reden anzuschauen, ohne meinen Text aus den Augen zu verlieren? Während wir immer öfter lachen und sich beinahe Routine einstellt, werden wir schon mit der nächsten Herausforderung konfrontiert. Satzzeichen werden einfach weggelassen oder vollkommen falsch platziert. Der innere Perfektionist in einem verlangt nun höchste Konzentration.
Die Zeit vergeht wie im Flug. Der noch zu spielende Textstapel wird immer geringer. Gerade als sich die Routine, der Erzfeind der niederländisch-britischen Erfinder des Stücks (Gert-Jan Stam & Ant Hampton), erneut einschleichen will, kommt die nächste Stolperfalle auf uns zu. Wir haben unterschiedliche Regieanweisungen auf unseren Texten stehen, meinen allerdings auch die der anderen zu kennen. Ein fataler Fehler, wie sich herausstellen soll. Denn langsam wird uns klar, wie wir nach und nach Textteile ignorieren müssen, was zu einer starken Verwirrung führt.
Vor der letzten Seite halten wir an, steigen das erste Mal seit gut 45 Minuten aus unseren Rollen und beginnen uns lautlachend zu fragen, was wir denn gerade tun. Langsam erklären wir uns die verrückten und widersprüchlichen Anweisungen, die ein Weiterspielen unmöglich machen. Und erst dann wird klar, was die Pointe des Stücks ist.
“OK OK” ist kein klassisches Theaterstück mit Zuschauern und Akteuren. Vielmehr ist es eine Art Gesellschaftsspiel, das durch seine interaktive Art besticht: Publikum und Ausführende sind dieselben. Ich kann jedem nur zum Selbstversuch dieses Spiels raten und auch versichern, dass es noch einige Dinge zu entdecken gibt: über sich selbst, über andere und wie diese Dinge sich verknüpfen lassen.