Mit „El día que el hombre pisó la luna“ bringt die Tanzkompanie Danza Mobile die Mondlandung als dynamisches Bild auf die Bühne
„HA!“ – ein Schrei, noch einer, immer wieder. Vibrierender Bass setzt ein, laute Klänge, körperlich spürbar – an die entspannte Stimmung mit fröhlicher Radiomusik, die vor wenigen Momenten noch den Raum erfüllte, erinnert nichts mehr. Die Spannung ist fast in der Luft greifbar. Zielstrebig stürmen die Tänzer:innen aufeinander zu, alle durcheinander und doch kreuzen sie sich in präzisen Bahnen – haarscharf aneinander vorbei, aber doch ohne Zusammenstoß. Das Licht zerstreut sich im Raum, wie bei einer Discokugel. Es entsteht ein Geflecht aus Ton, Bewegung und Licht – ein dynamisches Bild, von dem der Abend lebt.

Mit „El día que el hombre pisó la luna“ bringt die inklusive Tanzkompanie Danza Mobile aus Sevilla eine Inszenierung auf die Bühne, die Staunen lässt – über Tanz, Klänge, Menschlichkeit und die Kraft der Wahrnehmung.
Ausgangspunkt ist der 21. Juli 1969 – jener Tag, an dem Neil Armstrong als erster Mensch den Mond betrat. Doch Choreograf und Regisseur Manuel Cañadas legt den Fokus nicht auf die Heldengeschichte der Mondfahrt, sondern auf das, was gleichzeitig auf der Erde geschah – was Menschen fühlten, was sie dachten, was sie bewegte. Der Blick richtet sich nicht zum Himmel, sondern auf die Menschen, die hinaufblicken – und macht sichtbar, wie große Ereignisse kleine Leben berühren. Welche Erinnerungen bleiben dabei?
Zwischen den Tanzsequenzen tritt Arturo Parilla als Erzähler auf, der diese Erinnerungen leidenschaftlich erklärt, sodass man sich zu jenem Tag zurückversetzt fühlt. Man hört ihm gerne zu, selbst wenn man seine Sprache nicht versteht: Die Art, wie er zum Publikum spricht, wirkt eindringlich, dass man gar nicht anders kann, als ihm zu folgen – auch auf die falschen Fährten, die er als selbsterklärter „lunático“ legt, als Mondsüchtiger, Schlafwandler, Verrückter. Er spricht nicht nur über die Geschichte, sondern macht sie erfahrbar. Und manchmal wird er dabei auch zum Man- oder Abled-Splainer. Oft erzählt er seinen Mittänzer:innen Fakten mit der Einleitung: Wusstest du, dass …? Die Antwort jeweils, kurz und knapp: Sí, ja.
Die Inszenierung lebt von der Intensität der Mittel. Musiker Mario Maywa erschafft ein Soundgerüst, das unter die Haut geht. Ein Puls, der sich durch den Abend zieht: Bassvibrationen, Trommeln, Gitarrenklänge – lauter, leiser – sehr intensiv, aber ohne, dass es unangenehm ist. Mit den dynamischen Bewegungen der Tänzer, welche exakt auf die Klänge abgestimmt sind, ergibt sich ein ästhetisches Bild.

Auch das Spiel mit dem Licht erzählt eine Geschichte: Wenn von der Hitze des Tages die Rede ist, wird die Bühne in ein orangefarbenes Licht getaucht, was mir selbst ganz warm werden lässt. Beim „Geruch des Mondes“ wechselt das Licht abrupt ins kühle Blau, wie das Gefühl der Distanz des Alls. Es ist imposant zu sehen, wie sehr das Licht Einfluss auf die erzeugte Stimmung hat. In Kombination mit der Musik ist die Gestaltung so eindrucksvoll, dass ich alles nachempfinden kann.
Jeder der sechs Tänzer:innen erhält einen eigenen Moment. Etwa Helliot Baeza, der unter donnernden Trommeln und Nebel, wie ein Raubtier in den Lichtkegel kriecht. Mit Felipe Valera springt er synchron hin und her. Sie bauen sich voreinander auf, bis einer schließlich am Boden liegt – Kampf gewonnen?
Auch José Manuel Muñoz interagiert mit Valera, wenn er in seinem Lichtviereck performt und diesen Rücken an Rücken hochnimmt. Oder Paqui Romero, die mit beeindruckender Kraft ihren Tanzpartner hochhebt, ihn waagerecht auf ihren Schultern stemmt und sich dabei dreht – mit einer Leichtigkeit, die begeistert.
Diese Solo-Einlagen sind keine unverbindlichen Darbietungen, sondern Persönlichkeitsmomente: Jeder Körper erzählt auf seine eigene Weise, was „Mondlandung“ heißen könnte – und damit von Verbindungen, Risiken und Vertrauen.

Zwischendurch erklingen Radiostimmen, Störgeräusche, ein spanischer Eurovisions-Song. Die Tänzer:innen gruppieren sich wie eine glückliche Band im Lichtkegel, Reyes Vergara mit ausgebreiteten Armen in der Mitte. Sie singen stumm, während im Hintergrund Musik läuft. Bewusst fremd zur Mond-Thematik zeigt die Sequenz, wie im Alltag globale Ereignisse, Popkultur und die persönliche Wahrnehmung nebeneinander existieren.
Wenn am Ende das Licht erlischt und der Bass noch nachhallt, bleibt der Aufruf zur Reflexion. Wie erinnern wir Ereignisse, die größer sind als wir selbst? Durch eine Performance mit Herz, Dynamik und dem immer passenden Takt stellt Danza Mobile diese Gedanken dar – und hinterlässt Eindruck! Letztlich kann man es auch, mit Neil Armstrongs Worten sagen, als er vom Raumschiff auf den Mond sah: Der Abend war ein „herrlicher Anblick“.