“Helden und Legenden” heißt das Motto von Grenzenlos Kultur vol. 17. Wie sieht Heldentum heute aus? Eine Erkundung mit Blick aufs Festival
Wer oder was ist eigentlich ein Held? Laut Definition eine Sagengestalt, die sich durch großen Mut und kühne Taten auszeichnet. Bereits die Antike wimmelt vor Geschichten über ihn. Zum Helden wurde man schon damals durch eine außergewöhnlich Tat. Zum Beispiel, indem man einen Drachen tötet, einen Riesen erschlägt oder die Jungfrau rettet.
Ich habe ein ganz anderes Helden-Bild im Kopf. Bei mir fliegt ein Held durch die Lüfte, sein flatterndes Cape weht dabei hinter ihm im Wind. Muskelbepackt und strotzend vor Selbstbewusstsein, ist er meistens mit übermenschlichen Fähigkeiten oder dem neuesten High-Tech-Spielzeug unterwegs, um jemanden in Not zu retten. So weit ist dieses Bild von der ursprünglichen Definition allerdings nicht entfernt. Es klingt nur moderner.
Kein Drache in Sicht
Mit der Realität haben beide Bilder nur wenig zu tun. Ich habe jedenfalls noch nie jemanden mit einem Cape durch die Lüfte fliegen sehen oder bin einem Drachen über den Weg gelaufen. Wo finde ich heute Helden? Oder zumindest: Heldenmut?
Wie wär’s mit sozialem Engagement? Also: anderen Leuten zu helfen und ihnen ein besseres Leben zu ermöglichen. Beispielsweise einen Brunnen in Afrika bohren. Oder eine Schule neu aufbauen. Menschen wie die “Ärzte ohne Grenzen”, die ihr Wissen dort nutzen, wo es am meisten gebraucht wird. Oder, ganz banal: die Polizisten, Feuerwehrleute und Ärzte, die für unsere Sicherheit sorgen. Sie vollbringen Heldentaten, auch ohne Cape.
Helden des Alltags, Helden der Kunst
Und ich selbst? Kleine Gesten wären schon mal ein Anfang für einen Helden des Alltags. Ein Begriff, der die Taten oft kleiner macht als sie sind. Doch es macht einen Unterschied, wenn man einer alten Frau im Bus seinen Platz anbietet. Oder in eine Schlägerei eingreift. Oder einer Schwangeren die Einkäufe in den 5. Stock trägt.
Dass das Grenzenlos Kultur Festival sich die “Helden und Legenden” zum Motto wählte, liegt vor allem am Kultursommer Rheinland-Pfalz, an dem es sich orientiert. Dennoch lohnt sich ein genauer Blick. Dass Maria-Cristina Hallwachs in “Qualitätskontrolle” vor Lebensfreude und Klugheit funkelt, macht aus ihr noch keine Heldin des Alltags – ihre kritischen Reflexionen zur Präimplantationsdiagnostik und ihr Einsatz für querschnittsgelähmte Menschen mit Beatmung schon. Panaibra Gabriel Candas “Borderlines” lässt sich auch als Kampf um Freiheit und Unabhängigkeit von ziemlich gefesselten Helden lesen. Auch der Affe Rotpeter in Franz Kafkas “Bericht für eine Akademie” ist ein (tragikomischer) Held – der Assimilation. Keine Helden, sondern Schauspieler stehen im Mittelpunkt von “Disabled Theater“. Dass sie die Zuschauer dennoch seit 2012 weltweit einerseits in ungemütliche Situationen bringen, andererseits unterhalten, ist, zumindest wenn es um Theater und Inklusion geht, dann doch wieder eine Heldentat.