“Für mich ist fast alles Neuland”

Markus Müller im Gespräch mit Hannah Arens und Lea Pfeifer
Markus Müller im Gespräch mit Hannah Arens und Lea Pfeifer © Holger Rudolph

Markus Müller ist Intendant des Mainzer Staatstheaters, in dessen Räumen Grenzenlos Kultur in diesem Jahr zum ersten Mal stattfindet. Ein Gespräch über Helden, Barrierefreiheit und Inklusion

von Lea Pfeifer und Hannah Arens

Herr Müller, das Motto des Festivals ist “Helden und Legenden”. Haben Sie Helden?

Ich persönlich tue mich mit Helden eher schwer. Das ist ein Begriff, der in meinem Leben selten vorkommt. Muss er  ja auch nicht. Ich hätte das Motto nicht unbedingt gewählt, aber es ist natürlich das Motto für den Kultursommer. Wenn man so ein breites Spektrum hat wie der Kultursommer, muss man etwas finden, das eine gewisse Breite hat.

In wieweit war das Staatstheater, waren Sie persönlich in die Programmplanung des Festivals involviert?

Ich persönlich war in die einzelnen Produktionen und Projekte nicht so intensiv eingebunden.  Das lief hauptsächlich über unseren Chefdramaturgen Jörg Vorhaben, der in  intensiverem Kontakt mit der Festivalleitung stand. Aber den Auftakt zum Beispiel haben wir alle gemeinsam ausgewählt. Rimini Protokoll  kenne ich schon lange: In meiner Mannheimer Zeit haben wir die “Wallenstein”-Uraufführung auf die Bühne gebracht, die dann später auch zum Theatertreffen eingeladen war und zu vielen anderen Festivals. Uns war wichtig, das sich Theater und Festival verzahnen, dass wir über unser Stammpublikum auch Menschen erreichen, die bisher nicht ins KUZ gegangen sind und sich mit solchen Themen bislang nicht konfrontieren lassen wollten, weil sie vielleicht Berührungsängste haben.

Wie sieht das genau aus?

Die Vorstellungen im Kleinen Haus sind bewusst, also aus inhaltlichen Gründen mit unserem Abo verzahnt. So bekommt man auch eine Durchmischung des Publikums hin, erhöht die Reibungsfläche, lässt eine lebendigere Diskussion entstehen.

Stichwort Grenzenlos, Stichwort Publikumsdurchmischung: Wie barrierefrei ist das Staatstheater Mainz?

Das Kleine Haus ist sehr gut ausgestattet für Menschen mit Einschränkungen. Durch den Mittelgang können wir die ganze Reihe mit Rollstühlen besetzen. Und bevor wir unsere neue Spielstätte U17 geschaffen haben, überlegten wir, wie man Deutschlands tiefste Spielstätte für Rollstuhlfahrer zugänglich machen kann. Mit dem Aufzug nimmt man den gleichen Weg wie Nichtbehinderte. Nur dass die Menschen mit eingeschränkter Mobilität anstatt der 76 Stufen zum U17 eben den Fahrstuhl nehmen. Es ist immer wichtig, dass man dabei nicht durch den Hintereingang muss.

Welche Räume waren bisher nicht nutzbar?

Der Orchestersaal ist nicht frei zugänglich, da spielen wir viel Kinder-und Jugendtheater und kleine Konzerte und die finden dann dort wegen der Nähe zwischen Zuschauern und Bühne statt. Aber da gibt es auch schon Pläne: Vom Tritonplatz aus soll ein gläserner Fahrstuhl entstehen, der das Parkhaus erschließt und auch andere Räumlichkeiten, unter anderem eben den Orchestersaal.

Wie steht es mit der Barrierefreiheit im Großen Haus?

Alles was wir bisher anfassen konnten, haben wir versucht wirklich barrierefrei zu erschließen.  Aber unsere größte und wichtigste Spielstätte ist noch nicht voll barrierefrei. Deswegen findet das Festival auch hier im Kleinen Haus und U17 statt. Im Großen Haus gibt es nur einen Fahrstuhl und da kann auch nur ein Rollstuhl rein. Gleichzeitig ist das auch noch der Fahrstuhl für die Gastronomie. Da wartet man dann teilweise 20 bis 25 Minuten.

Haben sie einen persönlichen Favoriten im Festivalprogramm?

Jérôme Bels Inszenierung “Disabled Theater” zusammen mit dem Theater Hora ist natürlich ein Klassiker des inklusiven Theaters. Darauf freue ich mich schon sehr. Für den Sonntag habe ich vieles in die Wege geleitet, damit die Kollegen diese Veranstaltung ebenfalls besuchen können. Das sollte niemand verpassen. Ich versuche möglichst viel zu sehen, denn für mich ist fast alles Neuland. Einen gelungenen Abend erhoffe ich mir auch vom Gastspiel aus Darmstadt.

Im Darmstädter Theater sind zwei Menschen mit körperlichen Behinderungen im Ensemble. Haben Sie schon darüber nachgedacht, Ihr Ensemble inklusiv zu erweitern?

Wir haben im festen Ensemble keine Personen mit körperlicher Behinderung. Aber ich finde es klasse, dass es diese Inklusion im Darmstädter Ensemble gibt.

Gibt es in dieser Richtung Pläne?

Wir setzen sehr auf unser Ensemble. Es ist erforderlich, dass alle Ensemblemitglieder vollumfänglich zeigen können, was sie als Künstler ausmacht. Deswegen haben wir seinerzeit für uns beschlossen, dass es wichtig ist, gezielt zu sehen, in welchen Projekten und Prozessen es Sinn ergibt, eine Zusammenarbeit zu suchen. Wir wollen den anderen Weg gehen und versuchen, unsere Ensemblemitglieder mit Menschen mit Behinderung zu vernetzen.

 

Zur Person: Markus Alexander Müller ist seit 2014 Generalintendant in Mainz. Er wurde 1973 in Kempten (Allgäu) geboren und studierte Betriebswirtschaftslehre, Theaterwissenschaft, Germanistik und Philosophie in Bamberg, Erlangen und Mannheim. Nach Arbeiten als Schauspieler und Regisseur wurde er 2001 stellvertretender Generalintendant am Nationaltheater Mannheim. Von 2006 bis 2014 war er Generalintendant in Oldenburg, wo er neben Oper, Tanz, Schauspiel, Philharmonie das Junge Theater als fünfte Sparte etablierte.