Tadeusz Janiszewski vom polnischen Teatr Osmego Dnia thematisiert in “Heilige Kühe” das Ausgrenzen von dem, was anders ist.
Mit einer angezündeten Miniatur-Wassermühle in den Händen schreitet Tadeusz Janiszewski über die Bühne. Flammen flackern als Projektionen über die Wände, Massenrufe einer Demonstration ertönen. Eine düstere Atmosphäre von Gewalt und Aufruhr entsteht.
Episodisch erzählt Janiszewski vom polnischen Teatr Osmego Dnia in “Heilige Kühe” verschiedene Schicksale, die in irgendeiner Form von Fremdenfeindlichkeit geprägt werden. Das rund einstündige Solo lebt nicht nur von Janiszewskis Spiel, sondern auch von dem eigenen Bühnenbild und der selbst geführten Regie.
Bewusst naiv
Die Bühne ist auf der linken Seite eingerichtet wie ein Wohnzimmer: mit Sessel, Couchtisch und Tapete. Zur rechten wartet ein Schlitten unter einer Lampe, hinten stehen Türen, die in Rollwände eingelassen sind. In der freien Mitte marschiert ein alter, weißhaariger Mann im Anzug im Kreis und skandiert mit polnischem Akzent: “Eins zwei – Polizei, drei vier – Offizier, fünf sechs – alte Hex‘, sieben acht – gute Nacht!” Ähnlich angestrengt und stramm geht er im Quadrat, während er zwei Milchkannen trägt. Dann lässt er sich breit grinsend in den Sessel nieder. Er nimmt die Rolle eines Mannes ein, der von seiner Kindheit auf einem Bauernhof erzählt. Da zuvor der Miniatur-Bauernhof gebrannt hat, erahnt man schon ein abruptes Ende der idyllisch beschriebenen Zeit. Anschließend berichtet er auf einmal von Erfahrungen wie: “Manche sagen Roma statt Zigeuner.” Bewusst naiv gibt der Schauspieler das wieder und macht damit auf die Intoleranz aufmerksam.
Janiszewski wechselt zwischen verschiedenen Ebenen: Mal wirkt er wie ein Gastarbeiter. Mal stürzt er im Verfolgungswahn aus der Tür und presst sich mit dem Rücken an die Wand. Mal spielt er den Touristen, der über alles wettert, was vor die Linse seiner Kamera gerät. Zwischendurch rattert eine Kuh-Statue per Fernsteuerung über die Bühne. Später rollt sie zurück und man sieht die andere Hälfte, die das Tier gehäutet und zerteilt darstellt – der Titel des Theaterabends, in ein Bild geronnen: Wenn man die (im Hinduismus als heilig geltende) Kuh schlachtet, rührt man an Tabus.
Die ab und an lustige Stimmung schlägt endgültig um, wenn Janiszewski vorne steht und eine bedrohliche Ansprache hält. Aus den Lautsprechern dröhnt wieder ein Wirrwarr von aufgebrachten Massen. Er spricht jetzt polnisch, doch das Wort “egzorcyzm” kommt auch bei deutschsprachigem Publikum an.
Holocaust und Waterboarding
Dass die Inszenierung danach fragt, wie heutzutage noch Exorzisten-Prozesse passieren können, geht – wie weitere Ansätze auch – mehr aus dem Programmheft als aus der Inszenierung selbst hervor. Janiszewski donnert diktatorische Parolen wie: “Euch fehlt der Glaube!” oder: “Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns!” Unbeherrscht leidet seine Figur unter der zunehmenden Geräuschkulisse, bis schließlich ein dumpfer Ton den Saal erfüllt. Projektionen an den Wänden versetzen in die Schrecken des Holocausts: Rote Kreuze streichen abgebildete Judensterne durch.
Inzwischen nur noch mit einer Hose bekleidet, foltert Janiszewski sich, indem er wie von unsichtbarer Hand in eine Wanne voll Wasser getunkt wird. Er schlurft – sichtlich erschöpft von der Performance – zum Schlitten, schüttet sich noch Laub über und sackt schließlich zusammen. Als Schlussbild baumeln an Ketten aufgezogene und in Seilen verstrickte Teile von Baumstämmen, die an aufgehängte Skelette erinnern.