Les Reines Prochaines und ich – ein Erlebnisbericht
Die eine möchte gern eine Laterne sein, die andere preist die Verkehrskreisel. Na dann, einmal anstrahlen bitte und erleuchten!
Les Reines Prochaines sind im KUZ mit ihrem Programm “Syrup of Life”. Ihre Lieder klingen eingängig und lustig, auch wenn ich mich frage, wie man auf solche Ideen kommt: Der Feststellung, dass Verkehrskreisel praktisch sind, stimme ich voll und ganz zu. Aber sind sie intim? Ich weiß nicht, ob ich sehen möchte, wer was in seinem Auto treibt und mit wem.
Wo kommen all die Männer her?
Eine Dame im roten Kleid und gepunkteten Strumpfhosen (Wo sie die her hat? Die muss ich haben!) singt von Sachen, die sie einmal gerne machen würde. Sie würde gerne zum Friseur, für mich spricht nichts dagegen. Sie möchte Chirurgin sein und jemandem die Bauchdecke mit einem Skalpell aufschlitzen, um alle Innereien zu inspizieren und zu untersuchen. Da spricht für mich sehr wohl was dagegen! Bei der Vorstellung an eine blutbesudelte, in Weiß gehüllte rothaarige Gestalt mit Punkte-Strumpfhose und tropfendem Skalpell bekommt der Abend kurz eine Horrorwendung und ich überlege, ob ich hier wirklich richtig bin. Schließlich vermeide ich normalerweise Filme, die eine Altersfreigabe zwischen 16 und 18 Jahren haben. Das ist aber nicht weiter schlimm, da sie im Anschluss gleich eine Straßenlaterne an einer Autobahnauffahrt sein wollte, die mit ihrer orangenen Birne die Welt anleuchtet. Da hab ich noch einmal Glück gehabt. Einmal Erleuchtung bitte!
Die vier Damen singen, wedeln und hüpfen vor einer runden Projektionsfläche auf der Bühne herum und geben holpriges Englisch von sich, aber auch Texte und Lieder auf Deutsch. Mitreißende Melodien, gewöhnungsbedürftige Inhalte und Selbstfindungstrips. Ich schaue mich im Publikum um und entdecke eine erstaunlich große Anzahl an Männern. Haben sie das Programm nicht gelesen? Das Publikum steigt schnell mit ein, lacht, klatscht und auch ich merke wie ich immer aufgekratzter werde. Feministisches Rock-Pop-Allerlei zum Mittanzen.
So erzählt die Straßenlaternen-Dame von einem Tattoo, das sie sich “in ihrem Alter” noch stechen ließ: einen Industriestaubsauger. Zwei Löcher, eins zum Reinsaugen und eins zum Rauspusten und einen langen, lebendig zuckenden Schlauch. Geht’s da wirklich noch um einen Staubsauger? Ich bin raus!
Die Waffen der Frauen
Die “Reines” schmettern Parolen und prangern das kapitalistische System an – in Strickmasken und Glitzerwesten: “Never Forget Pussy Riots!” So kritisieren sie nebenbei die russische Menschenrechtspolitik und kopieren die feministische Punkband. “Wir wollen keine Konsumenten sein, sondern Gäste! Sei kein Kunde, sei ne Wunde im Großkapitalistischen System!” Gleich morgen im Supermarkt, ich versprech es!
So manch ein Wortbeitrag provoziert und lässt mich in ungläubiges Gelächter ausbrechen. Beispielsweise wenn die Rede von ganzen Blutflüssen ist, die sturzflutartig die Berge hinab rauschen und ganze Seen füllen. Die Welt färbt sich rot vom Menstruationsfluss aller Frauen der Welt. Ich als Frau senke an dieser Stelle peinlich berührt den Blick. Die Waffen der Frauen liegen in einem gemeinsamen Periodenzyklus? Ich hoffe nicht! Wie war das doch gleich mit dem saugenden Staubsauger? Vielleicht kann er nützlich sein. Erstaunlich viele Männer im Publikum fangen an zu johlen und zu grölen. Vielleicht weil sie zur Abwechslung, und im Gegensatz zu manch anderen feministischen Wahlprogrammen, mal nicht abgeschafft werden sollen. Wär ja auch langweilig – ich spüle auch nicht gerne allein.
Alles hier wirkt ein bisschen Improvisiert und zusammengewürfelt, obwohl es bei genauerem Hinsehen genau geplant und aufeinander abgestimmt ist. Ich habe großen Respekt vor dem musikalischen Talent der Damen, vielleicht auch, weil ich selbst höchst unmusikalisch bin und mit meinem Gesang ganze Säle leeren könnte. Das alles mischt sich mit einem Feminismus, der sich selbst nicht ganz so ernst nimmt und Aufforderungen, denen man sofort nachgehen möchte. “Schlafen für eine bessere Welt”? Aber sehr gerne doch und das jetzt gleich.
Mehr zum “Les Reines Prochaines”-Konzert? Hier gibt’s eine weitere Kritik, hier mehr Infos zu feministischer Musik.