Morgen liest Rufus Beck aus “Die Konferenz der Tiere” von Erich Kästner. Ein Blick ins Buch beweist dessen anhaltende Aktualität.
Aus allen Ecken der Erde strömen die Tiere der Welt zusammen. Mäuse und Gnus, Kamele und Stiere, Pfauen und Tapire. Überall wuselt und wimmelt es von herbeieilenden Vögeln, kriechenden Insekten und stampfenden Dschungel-Riesen. Die Konferenz der Tiere steht an.
Während die Menschen mit ihrer 87. Konferenz dem Frieden auf der Welt noch kein Stück näher gekommen sind, können die Tiere die ewigen Kriege und Zerstörungen der Menschen nicht länger ertragen. Was mit den Menschen passiert, ist ihnen mittlerweile ziemlich egal. Schließlich sind die selbst daran schuld, wenn sie einander nicht in Ruhe lassen können.
Plädoyer gegen Zorn und Gier
Wären da bloß nicht die unschuldigen Kinder. Ihretwegen versammeln sich Tiere aus der ganzen Welt, um die Menschen zur Einigung zu bewegen. “Es müsste etwas geschehen!”, protestieren sie: Grenzen sollen verschwinden, das Militär abgeschafft werden und verstaubte Dokumente vernünftigem Denken weichen. Kein Kind darf länger in einer Welt aufwachsen, die von Zorn und Gier regiert wird.
Erich Kästner schrieb 1949 mit “Die Konferenz der Tiere” ein zeitloses Kinderbuch über Gemeinschaft, Frieden und Toleranz. Mit liebevoll erdachten Charakteren aus dem Reich der Tiere erzählt er eine bewegende Geschichte über Menschen für Menschen. Wenn der cholerische Löwe Alois, der erkältete Eisbär Paul und der brummige Elefant Oskar versuchen, die Welt nicht ein bisschen, sondern gleich ein ganzes Stück besser zu machen, dann ist das trotz – oder gerade wegen – der tiefsinnigen Geschichte ein rasantes, herzerwärmendes Leseabenteuer.
Gesellschaftliche Randgruppe: Kinder
Indem es Theater von und mit Menschen mit und ohne Behinderungen in den Mittelpunkt rückt, regt Grenzenlos Kultur Diskussionen an und vermittelt Toleranz. Darauf zielt auch Kästners Kinderbuchklassiker ab. In “Die Konferenz der Tiere” entsteht ein Menschenbild, das jeder Menschlichkeit entbehrt. Blind regieren ordenbehangene Staatsoberhäupter über ihre Kriege führenden Völker. Was für sie zählt, sind Wirtschaftlichkeit und Status, nicht Güte und Gemeinschaft. Wo Grenzenlos Kultur einen Raum schafft, in dem so genannte gesellschaftliche Randgruppen ihre Stimme erheben und sich entfalten, sind es in Kästners Geschichte die Kinder, deren Stimmen nicht gehört werden. Über ihre Köpfe hinweg entscheiden vermeintlich verantwortungsbewusste Erwachsene. Doch in ihrem Namen kämpft nun die Konferenz der Tiere heldenhaft um das Recht auf Gleichheit und ein friedliches Miteinander. Kinder aller Hautfarben und Nationalitäten dürfen als Ehrengäste an der stürmischen Konferenz teilnehmen, denn ihr Wohlbefinden ist was zählt.
Wunderbar überzeichnete Figuren
Mit viel List und ausgeklügelten Tricks machen sich die Tiere im Menschenreich bemerkbar. Tausende Ratten zerfressen Staatsunterlagen zu kleinen Schnipseln, Motten vernichten Uniformen auf der ganzen Welt, andere Tiere verstecken Menschenkinder in verborgenen Grotten und vergessenen Schiffswracks. Irgendwie muss man diese trotzigen Kindsköpfe von Menschen doch zur Einigung bringen!
Kästner schafft wunderbar überzeichnete Figuren von verbohrten Staatsvertretern, übereifrigen Soldaten und in Endlosschleife debattierenden Diplomaten. Wenn die Tiere am Ende triumphieren (samt ewigem Friedensvertrag), einander umarmen und küssen, wird sogar der dauergriesgrämige Feldmarschall Zornmüller nicht verschont. Schließlich sollen alle dazugehören in dieser Zu-schön-um-wahr-zu-sein-Utopie, in der letztlich jeder lebt und leben lässt.
Rufus Beck, bekannt als Stimme der Harry-Potter-Hörbücher, liest am 22. September um 11 Uhr und 15 Uhr im KUZ aus “Die Konferenz der Tiere”. Über die Lesung berichten wir ebenfalls auf unserem Blog.