Landung im Rampenlicht

Zwei Warnlichter flackern, Flughafenlärm dröhnt aus dem Hintergrund, Neonfarben leuchten. Plötzlich taucht ein gigantisches aufblasbares Flugzeug auf, das mit viel Unterstützung auf die Bühne bugsiert wird. Vorneweg: Britney Spears. Ausgestattet mit einem schwarzen Glitzeranzug und ihrer einzigartigen Ausstrahlung. Schnell wird klar: Der Abend will mehr als nur Musik.

Kontrolle, Bewertung und Druck: „Britney’s Fears. The Making Of: A Princess“ . Foto: Holger Rudolph

Anne Sophie Domenz bringt gemeinsam mit dem Theater Bremen und dem Blaumeier-Atelier in „Britney’s Fears. The Making Of: A Princess“ nicht nur das Porträt der Pop-Ikone auf die Bühne, sondern zeigt die Hürden erfolgreicher Frauen in der Musikbranche. Kontrolle, Bewertung und Druck – mit Kostümen in allen Farben, opulenten Bühnenmitteln und den Pop-Klassikern von Britney beleuchtet die Inszenierung alle Seiten des Ruhms.

Besonders fällt die Bildsprache auf. Die Kostüme sind ein eigenes Bühnenereignis: Neonfarben, Glitzer, Lametta, überdimensionierte Formen. In Anlehnung an Spears’ Musikvideos tauchen Astronauten auf (wie in „Oops! … I did it again“) und der bekannte rote Latexanzug, der nicht fehlen darf, wird von Aladdin Detlefsen auf der Showtreppe vorgeführt. Auch die legendäre Schlange, die Britney Spears bei ihrer MTV-Performance 2001 um den Hals trug, findet ihren Weg auf die Bühne – diesmal an einem Tänzer, dem sie in den Kopf zu beißen scheint. Die bewusst gesetzten symbolischen Anspielungen vermitteln einen Zugang zur Sängerin.

Das pompöse, orangefarbene Kleid, das unpraktischer zum Laufen nicht sein kann, sticht sofort ins Auge. Graffiti-Schriftzüge und eine Kopfbedeckung aus aneinandergereihten Warnhütchen, verleihen dem Outfit eine Mischung aus Glamour und Baustelle. Sofia Iordanskaya lässt es strahlen. Zunächst habe ich fast Mitleid mit der Darstellerin, die kaum die Treppe hochkommt – doch genau das ist metaphorisch klug inszeniert. Das Kleid steht für die Hindernisse weiblicher Popstars, für die Widersprüche zwischen Selbstinszenierung und Fremdbestimmung. Die Bewegung ist eingeschränkt, aber an der Freiheit wird gearbeitet.

Shirin Eissa hält, als eine der fünf Britneys, den packenden Monolog über den Werdegang der Sängerin, der einer Übersetzung dessen ist, was Spears vor Gericht aussagte. Von der Vormundschaft ihres Vaters will sie sich befreien und reißt dabei den schwarzen Glitzeranzug vom Anfang ab. Domenz erweitert Britneys Geschichte geschickt um andere Popbiografien. Taylor Swift, Lady Gaga, Madonna – sie alle tauchen auf und bekommen ihren eigenen Monolog – die Texte entstammen Social-Media-Posts und öffentlichen Reden der Frauen. Das Publikum darf selbst entschlüsseln, wer gemeint ist.

So entsteht eine Collage weiblicher Pop-Identitäten, verbunden durch ein gemeinsames Thema: das Kämpfen um Emanzipation in einer Branche, die Frauen gern in Rollenmuster einordnet. Sie verlieren immer wieder ihre Rechte, an ihrem Körper, an ihrer Musik, an ihrer Selbstbestimmung, deshalb fordern sie Veränderung.

Das Bühnenbild ergänzt den Gedanken. Die Showtreppe dominiert den Raum – sie wird zum Symbol für den steilen Weg nach oben, den jeder Star gehen muss. An auffälligen Elementen und Symbolen wird nicht gespart: Vom Flugzeug, pompösen Outfits bis zu einer großen schwarzen Kutsche ist alles dabei. Auf dieser tritt Viktoria Tesar, in Begleitung zweier Frauen mit überdimensionalen Fellhüten auf. Die überzeichneten Bühnenmittel unterstreichen die Pop-Ästhetik – können in ihrem häufigen Wechsel allerdings auch für Verwirrung sorgen. Ein harmonisches Gesamtbild erschließt sich nicht ganz: Übergänge wirken teils brüchig, Szenen stehen nebeneinander wie Nummern einer Revue und manche Momente verlieren sich in der Fülle der Bilder.

Poppige Bühnenmittel und die Blaumeier-Band Fransen in „Britney’s Fears“. Foto: Holger Rudolph

Trotz der Ankündigung, einen Liederabend zu zeigen, ist „Britney’s Fears“ ausgerechnet musikalisch eher durchwachsen. Die Hits von Spears werden zwar mit sichtbarer Leidenschaft performt, allerdings wirken sie meist holprig. Nicht jeder Ton ist ein Treffer. Anfangs wird die Begleitung eingespielt. Später gesellt sich die Blaumeier-Band Fransen dazu. Jetzt klingen Bass, Trompete und Technik kraftvoll, der Gesang bleibt zwar hörbar, doch die Intensität wirkt teils unangenehm drückend. Dagegen gefallen die Gitarren-Einsätze, von Lea Baciulis, die insgesamt stimmiger wirken. Überhaupt gelingt es den Sänger:innen zunehmend, Euphorie auszulösen, sodass zum Ende das Publikum erfolgreich zum Mitsingen animiert wird.

Schade ist jedoch, dass die Darsteller:innen mit Beeinträchtigung größtenteils auf Nebenrollen beschränkt bleiben. Sie tanzen, spielen Instrumente, haben aber selten längere Sprechanteile. Die Inklusion ist ein starker Aspekt in dem Projekt, allerdings hätte der Gedanke, dass Britneys Weg aus der Bevormundung zur Selbstbestimmung Parallelen zum Umgang der neurotypischen Gesellschaft mit Menschen mit Behinderung zeigt, auch in der Rollenverteilung umgesetzt werden können.

„Britney’s Fears. The Making Of: A Princess“ teilt Energie, Ideen und Farben mit dem Publikum. Zwischen Kitsch und Kritik entsteht ein Bild der weiblichen Popkultur und der Schwierigkeit, sich im Glanz der Scheinwerfer selbst treu zu bleiben. Nicht alles fügt sich zu einem Ganzen: Zwar zeigt die Besetzung Vielfalt und Inklusion, doch gerade in der Rollenverteilung wird deutlich, dass der Weg zu echter Gleichberechtigung – auf der Bühne wie im Pop – noch nicht zu Ende gegangen ist.

Die legendäre Schlange aus Britney Spears’  MTV-Performance 2001 beißt auf der Bühne zu. Foto: Holger Rudolph