Tima Zucker und Klaus Köhler eignen sich in „Schlagerträume“ das Hochleistungsgenre Schlager an
Tima Zucker und Klaus Köhler sitzen gemeinsam auf einem weißen Ledersofa. Das Bühnenbild erinnert an ein Wohnzimmer. Dazu passt auch die Glasschale mit Süßigkeiten auf dem Couchtisch. Die beiden diskutieren über ihre gemeinsame Leidenschaft, den Schlager. Klaus ist Fan des Schlagers aus den Siebzigern und kann den heutigen Shows nichts abgewinnen. Tima wiederum liebt Helene Fischer und will das große Spektakel. Dieser Unterschied zwischen den beiden zeigt sich auch in ihren Outfits: Tima trägt ein Paillettenkleid, Klaus einen schlichten Anzug.
„Schlagerträume“ ist die erste inklusive Eigenproduktion des Staatstheater Mainz. Das Stück ist nicht nur beim Grenzenlos Kultur Festival zu sehen, sondern steht auch im regulären Spielplan. Seine Premiere feierte er bereits am 6. September 2025. Inszeniert hat die ei nstündige Aufführung Franziska Sarah Layritz.

Das Verhältnis von Klaus und Tima wirkt wohlwollend, fast väterlich-zärtlich. Dabei wirkt es so, als ob Klaus bewusst einen Schritt zurückgeht, um Tima den Raum auf der Bühne zu geben. Diesen Raum nimmt sie sich selbstbewusst. Beim gemeinsamen Singen holpert das gemeinsame Tempo noch etwas- Beim ersten Lied überlagern sich die beiden so sehr, dass der Text unverständlich wird. Tima gleicht das vor allem durch ihre Leidenschaft zum Schlager aus, die gerade beim Tanzen sichtbar wird. Als Duo funktionieren sie eher im Spiel als im Gesang.
Dafür, dass der Schlager hier nicht nur gefeiert, sondern auch eingeordnet wird, sorgt Klaus Köhler, der einmal bemängelt, dass es fast nur Texter gibt. Auch bemängelt der die Erzählperspektive am Beispiel von Michel Holms „Lucille“, in dem sich der Erzähler mit dem Ex-Mann von Lucille verbündet, ohne Lucilles Seite zu hören. Allerdings bleibt diese Kritik so oberflächlich wie das eingebaute, ziemlich vernichtende Adorno-Zitat, das Lilly Lorenz als Schlagerexpertin beisteuert. Im Video, das auf eine Wolke an der Bühnenrückwand projiziert wird, informiert sie zur Geschichte des Schlagers und der dahinterstehenden Industrie.
Die ganze Aufführung ist gespickt mit Publikumsinteraktionen. Tima und Klaus verteilen Autogrammkarten mit persönlicher Widmung und laden am Ende dazu ein, gemeinsam auf der Bühne zu Marianne Rosenbergs “Ich bin wie du” zu tanzen. Einer der Höhepunkte des Abends ist das Quiz „Schiller oder Schlager“. Dabei bekommen alle Zuschauenden große, doppelseitig bedruckte Karten. Auf der einen Seite steht „Schiller“ und auf der anderen „Schlager“. Dazu sind zwei Symbole – Noten und Buch – aufgedruckt, um mehr Teilhabe zu ermöglichen. Nacheinander lesen Tima und Klaus Zitate vor und die Zuschauer:innen sollen raten, ob das Zitat von Schiller oder aus einem Schlager stammt.. Schnell wird deutlich: So weit liegen die beiden nicht auseinander.

Diese Interaktionen lockern den Abend auf und sorgen für gute Stimmung. Doch das eigentliche Spektakel beginnt mit einer Preisverleihung: Thomas Anders übergibt Tima und Klaus im projizierten Video einen „Echo“. Die Dankesrede wirkt beinahe echt, mit dem Unterschied, das hier dem Team der Theaterproduktion für das Gelingen gedankt wird. Dass sie das gesamte Team hervorheben, unterstreicht, mit wie viel Wertschätzung Tima und Klaus dem Abend begegnen. Dann wird der preisgekrönte Song „Bis in die Ewigkeit“ live performt. Der Text stammt von Tima selbst, die Musik von Axel Heintzenberg, der hier im weißen Anzug am ebenfalls weißen Klavier sitzt.
In Erinnerung bleibt der Abend durch seine Einzigartigkeit. Mit seiner ersten inklusiven Produktion wagt das Staatstheater, Menschen jenseits normativer Vorstellungen eine Bühne zu geben. Es bleibt zu hoffen, dass dies der Anfang für mehr Vielfalt im Spielplan ist. Doch auch Tima sollte weiterhin die Chance bekommen, ihre Kreativität auszuleben. Ein Abend mit Hoffnung auf mehr.