Bert und Nasi zeigen mit „L’addition“ eine Slapstickvariation zum Thema Herr und Knecht
„Are you the waiter?“(Bist du der Kellner?)
„No, you are!“ (Nein, du!)
„No, I’m the customer!“ (Nein, ich bin der Kunde!)
Hin und her fliegen hier nicht nur die Rollenbeschreibungen, sondern auch Tischdecken, Besteck und Weingläser. Verwirrt und etwas zornig schreien sich die beiden Darsteller über den kleinen Tisch hinweg an. Aber wer ist nun der Kellner, und wer der Gast? Und was geht mit diesen Bezeichnungen einher?

„L’addition“ (Die Rechnung) ist ein Performanceabend in englischer Lautsprache, mit deutschen Übertiteln, konzipiert und gespielt von Bertrand Lesca und Nasi Voutsas. Gezeigt wird eine scheinbar simple Restaurantszene, die sich aber durch ständigen Rollenwechsel und komödiantische Misskommunikation zwischen den Darstellern zu einem verwirrenden Karussell aus Eindrücken entwickelt, dem man nur schwer folgen kann. Regie führte Tim Etchells von der auch in Deutschland bekannten Gruppe Forced Entertainment.
Ein kleiner Tisch in der Mitte der Bühne. Darauf ein weißes Tischtuch, ein Messer, eine Gabel, ein Löffel und ein leeres Weinglas. Am Tisch steht ein hölzerner Stuhl. Repräsentieren soll das Ganze ein Restaurant. Schon betreten die beiden Darsteller Lesca und Voutsas den Bühnenraum. Sie erklären, dass sie dem Publikum vor ihrer tatsächlichen Performance eine Einführung in die Szene geben wollen. Im Laufe eines widersprüchlichen Wortgefechts in einem performativen Selbstwiderspruch kommen sie zu dem Schluss, dass ihr eigentlich als einfach angepriesenes Theaterstück doch ziemlich kompliziert sei.
Der Ablauf lautet wie folgt: Es gibt zwei Rollen, den Kellner und den Gast. Der Gast setzt sich an den Tisch und bestellt einen Wein. Der Kellner schenkt einen Schluck ein, damit der Wein für gut befunden werden kann. Dann gießt der Kellner immer mehr Wein ein, bis das Glas überläuft und die Tischdecke gereinigt werden muss. Der Kellner packt das Besteck samt Glas in das Tischtuch ein und wirft es in die hintere linke Ecke. Danach spannt er ein neues Tischtuch und setzt sich. Damit wird er nun selber zum Gast.
Doch sobald die Performance beginnt, wird klar, dass der einfache Grundaufbau der Szene bloß eine Basis für verschiedenste absurde Handlungsabläufe darstellt. Mitten in der Show halten die Darsteller plötzlich inne und stellen fest, dass sie ihre Szene eigentlich ohne die Rollenwechsel spielen wollten, um der Verwirrung vorzubeugen. Um diesen Fehler wiedergutzumachen, möchten sie die Szene nun nochmal aufführen: 50 Jahre in die Zukunft.

Die beiden begeben sich in die rechte hintere Ecke der Bühne und trippeln beim Einsetzen der Musik gebückt in Richtung des nicht-gedeckten Tisches. Ihre Haltung imitiert das vorangeschrittene Alter. Auch beim Aufheben des Bestecks, das überall auf der Bühne verteilt liegt, tun sie sich sichtlich schwer. Die Musik im Hintergrund passt sich dem Tempo der Darsteller an. Das elektronisch-klingende Piepen und Düdeln variiert so im Verlauf der Aufführung. Lesca versucht das Besteck auf den Tisch zu legen, zittert aber so stark, dass Messer und Gabel erneut durch den Bühnenraum fliegen. Obwohl die Verschiebung der Szene in das Jahr 2075 im Dialog zuvor überschwänglich angekündigt wurde, fallen die beiden Männer nach kurzer Zeit wieder zurück in ihr Spiel der ersten Hälfte des Abends.
Zwischen hektischer Rennerei und minutenlangem Stillstand mitten in der Aktion, bei dem man sich arg zusammenreißen muss, um nicht auf die Bühne zu stürmen und einzugreifen, bietet der Theaterabend zwar Abwechslung. Allerdings strapaziert das ständige Wiederholen der gegenseitigen Sätze nervlich. Wobei die Reaktionen der Zuschauer*innen sehr unterschiedlich ausfallen: Einige im Publikum reißt es vor Lachen, andere gähnen verstohlen. „L’addition“ zeigt anschaulich, wie schnell das Machtverhältnis zwischen Gast und Kellner umschwingen kann und dass solch zwischenmenschliche Grenzen schnell verschwimmen können. Die Rechnung geht nur nicht ganz auf.