Wo wollt Ihr inkludiert werden?

Jeden Tag wurde Jana Zöll während ihrer Schauspielausbildung an der ADK Ulm von ihrer Mutter die vielen Treppen bis in den zweiten Stock getragen. Erstens, weil es damals noch keinen Aufzug gab. Zweitens, weil sich weder ihre Kommiliton*innen noch die Dozent*innen für sie verantwortlich fühlten. Mittlerweile gibt es immerhin einen Treppenlift – der braucht aber über sechs Minuten um bis nach oben zu fahren und ist ein Sessellift, keiner für Rollstühle. Und das, obwohl die Akademie über Jahre damit warb, die erste Schule Deutschlands zu sein, die Menschen mit Behinderung in der Schauspielkunst ausbildet.

Jana Zöll in ihrem Workshop über zugängliches Theater © Holger Rudolph

Über diese Problematiken und wo überall in unserem Alltag Barrieren zu finden sind, ging es in Jana Zölls Workshop beim Symposium beim Grenzenlos Kultur Festivals: „Perspektiven wechseln, Barrieren wahrnehmen – Wie könnte ein zugängliches Theater aussehen?“ Schnell wurde in der Diskussion der Teilnehmer*innen klar, dass es Barrieren nicht nur materiell im Alltag gibt, sondern auch sehr viel in den Köpfen. Als ein großes Problem wurde der Umgang mit bestimmten Wörtern und Formulierungen in Medien und Alltag festgemacht. So sollte das Wort „Inklusion“nicht nur auf Behinderungen beschränkt werden, wie es gerade der Fall ist, so Zöll: „Da wird das Wort missbraucht.“ Inklusion sollte für jeden gelten, der in irgendeiner Weise einen Weg in die Gesellschaft finden will.

Ideen sammeln: Wie kann Theater barrierenärmer werden? © Holger Rudolph

Außerdem wünscht sich Zöll den faireren Umgang mit Schauspielern mit Behinderung – Künstler*innen sollten nicht aufgrund ihrer Behinderung besetzt werden, sondern wegen ihrer Kunst. Meist bilden Schauspielschulen nach gewissen Stereotypen aus. Unter diesen finden sich aber kaum Rollen für Menschen mit Behinderung, wodurch wiederum ein Nischendenken entsteht. Und dann gibt es noch das sogenannte Cripping up – wenn Menschen ohne Behinderung Rollen mit Behinderung spielen. Nach Jana Zöll sollte es eher ein „Cripping down“ geben: Sie möchte als Schauspielerin in andere Welten eintauchen, nicht auf der Bühne weiter ihre Behinderung zur Schau stellen.

Der erste Schritt, ein Umdenken zu bewirken, liegt laut Zöll in der Ausbildung. Wenn es mehr Künstler*innen mit Behinderung auf den deutschen Bühnen gäbe, würde man es als Zuschauer und vor allem auch als Dramaturg*in oder Regisseur*in nicht mehr als so etwas Besonderes ansehen. Immer noch gibt es viele Barrieren am Theater, sowohl im baulichen Sinn als auch im Service, für die Akteur*innen auf und hinter der Bühne größer als für die Zuschauer*innen (obwohl auch da immer noch nicht das Optimum erreicht ist). Wenn es nur eine Frage des Geldes wäre, diese Dinge zu ändern, sollte man auch schnell höhere Positionen im Theater mit Menschen mit Behinderung besetzen, die einen größeren Wert auf solche Veränderungen legen. Warum nicht mal eine Doppelspitze in der Theaterführung? Nur einer von vielen guten Vorschlägen der Workshopteilnehmer*innen. Abschließend regte Zöll mit einer offenen Frage zum Nachdenken an: Wo wollt ihr inkludiert werden?