Theater muss sich ändern

„Wer von Ihnen hat regelmäßig Kontakt mit Menschen mit Behinderung?“, fragt Noa Winter die Zuhörer*innen. „Wer hat während seiner Arbeit mit Menschen mit Behinderung zu tun?“ „In welchen Fällen sind Menschen mit Behinderung gleich- oder höhergestellt?“. Die Handzeichen sprechen Bände: Nach jeder Frage sieht man weniger in der Luft.

Bei der Eröffnung: Noa Winter, Silke Stuck und die Gebärdendolmetscherin © Holger Rudolph

Noa Winter ist Theaterwissenschaftlerin an der Universität Mainz mit den Schwerpunkten Disability, Queer und Gender Studies und zusammen mit Silke Stuck das Kuratorinnenteam des diesjährigen Symposiums Theater barrierefrei gestalten – be prepared to make mistakes. Eigentlich hatte Judyta Smykowski, die Redaktionsleitung von leidmedien.de, einen Vortrag mit dem Titel Tapfer meistert sie ihr Schicksal: Sprache über behinderte Menschen in den Medien halten wollen. Dieser fiel aber aus, weil sie krank wurde. Stattdessen spricht Winter über Grundfragen der Inklusion und Fragen der Sprache.

So erklärt sie, warum die Kuratorinnen sich für eine Symposiumseröffnung mit einem Vortrag von leidmedien.de entschieden hat: Viele wissen nicht, wie sie mit Menschen mit Behinderung kommunizieren oder über sie schreiben sollen, ohne dabei etwas falsch zu machen. Die Internetseite und ihre Redaktion bieten hierbei eine große Hilfe.

Bevor es allerdings zu praktischen Beispielen kommt, definiert Winter, wer als Mensch mit Behinderung gilt und was der Unterschied zwischen Inklusion und Integration ist. Nach dem Sozialgesetzbuch gilt ein Mensch als behindert, wenn körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen länger als sechs Monate bestehen und es für diese Menschen einstellungs- und umweltbedingte Barrieren gibt. Integration meint „eingliedern“, während Inklusion „einschließen“ bedeutet. Es handelt sich also um ein gemeinsames Nebeneinander oder ein Alle-gemeinsam, was bedeutet, dass sich Strukturen individuellen Bedürfnissen anpassen. Inklusives Theater heißt also beispielsweise, dass sich die Strukturen und verschiedene Abläufe im Theater ändern müssen.

Die Teilnehmer*innen outen sich per Handzeichen © Holger Rudolph

In den Medien gibt es verschiedene Blicke, mit denen Behinderung betrachtet wird. Der medizinische Blick stürzt sich vor allem auf ärztliche Diagnosen. Der mitleidige und bewundernde Blick sieht eine Behinderung als Tragödie. Der einzige Unterschied ist hierbei, dass der bewundernde Blick der beschriebenen Person eine besondere Lebensfreude zuschreibt. Weiterhin gibt es verschiedene Begriffe und Phrasen, die vermieden werden sollten, wie zum Beispiel, dass Menschen mit Behinderung meist wie Kinder behandelt und mit Vornamen angeredet oder in Artikeln nur mit dem Vornamen genannt werden. Leidmedien.de gibt hilfreiche Tipps, wie diese Fehler vermieden werden können.

Am Ende spricht Winter davon, dass es okay ist, auch Fehler zu machen, solange man offen darüber spricht und im Voraus abspricht, was nicht geht. Praktische Beispiele für das Theater: Hilfreich wäre, wenn schon auf der Internetseite angegeben wird, ob es laut wird. Oder dass im Spielplan steht, ob es alternative Sitzmöglichkeiten gibt. Seiten wie leidmedien.de sind also eine große Hilfe. Aber der erste Schritt bleibt eine ehrliche Kommunikation zwischen Menschen.