Auf der Präsentationsfolie steht die Aufgabe: keine Lautsprache, keine Gebärdensprache! Stattdessen bekommt man einen Teil eines zusammengehörenden Paares aus Bild und Text. Nun soll man seinen Partner finden, ohne zu sprechen, mit Gesten, Blicken. Ganz schön schwer: Am Ende finden sich gerade einmal zwei Paare von acht.
Dieses Spiel ist die Auflockerungsrunde für den Workshop „Taube Dramaturgie – Wie Theater für taube UND hörende Menschen interessant wird“, der von Wera Mahne und Pia Katharina Jendreizik geleitet wird. Mahne ist eine hörende Regisseurin und Jendreizik eine taube Schauspielerin. Gemeinsam haben sie das Stück “FLIRT” erarbeitet, dass zum Abschluss des Grenzenlos Kultur-Festivals gezeigt wird. In ihrem Workshop besprechen sie alternative Wege, um die Gebärdensprache ans Theater und auf die Bühne zu bringen. Dabei greifen sie vor allem auf ihre eigenen Erfahrungen durch ihre Zusammenarbeit zurück, fragen allerdings auch die Teilnehmer*innen nach Ideen.
Vor allem braucht es festgelegte Regeln für das gemeinsame Arbeiten, an die sich jeder hält. Sehr wichtig sind hierbei Ruhe und Geduld. Beispielsweise werden hörende Menschen nicht sofort der Gebärdensprache Herr werden. Allerdings sollten sie sich auch die Zeit nehmen, diese zu lernen. Eine große Hilfe ist es, wenn man Sprachräume schafft, in denen klar ist, was erlaubt ist und was nicht. So bleiben die Gespräche fair und es kann nicht zu Diskussionen kommen, in der niemand irgendjemanden versteht, weil alles erst übersetzt werden muss und der Dolmetscher gar nicht mehr hinterherkommt.
Im Theater gibt es schon einige Möglichkeiten, wie man die Gebärdensprache einbauen kann: Unter- oder Übertitel, Übersetzungen in Gebärden- oder Lautsprache, Schattendolmetscher, die den Darsteller*innen auf der Bühne dicht folgen. Nach einer kurzen Diskussion mit den Teilnehmer*innen stellt sich allerdings heraus, dass keiner dieser Wege perfekt ist. Unter- und Übertitel lenken vom Bühnengeschehen ab und Übersetzungen interpretieren möglicherweise etwas hinein, was von den Macher*innen so gar nicht beabsichtigt war.
Die Lösung von Mahnes und Jendreiziks Gruppe? Mehrsprachigkeit zu einem essenziellen Bestandteil der künstlerischen Arbeit zu machen. Durch zwei Sprachen auf der Bühne ergeben sich weitere künstlerische Möglichkeiten, die es vorher nicht gab, wie Stücke wie „FLIRT“ oder „Wach?“ zeigen. Durch eine Zusammenarbeit von Gebärden- und Lautsprache und möglicherweise auch Nicht-Verstehen sind mehrere Standpunkte möglich. Und eine Übersetzung von der einen in die andere Sprache wird nie neutral sein, da sich Lautsprache nicht Eins zu Eins in Gebärdensprache übersetzen lässt. Auch dadurch ergeben sich weitere Spiel- und Interpretationsmöglichkeiten.
Zum Schluss spricht Mahne ein Plädoyer an die Staatstheater: Diese haben die Möglichkeit und finanziellen Mittel, Ressourcen für ein Theater mit Gebärdensprache zu schaffen. Das beginnt schon damit, dass sie gehörlose und taube Menschen auf verschiedenen Ebenen einstellen könnten, vor, auf und hinter der Bühne. Jendreizik würde sich hingegen wünschen, dass mehr hörende Menschen Deutsche Gebärdensprache (DGS) lernen wollen würden. Sie würde ihnen die Sprache als Gebärdensprachdozentin beibringen. Es ist eben ein gegenseitiges Nehmen und Geben, damit man etwas besser machen kann – und Mehrsprachigkeit die ideale Voraussetzung, auf Augenhöhe zu kommunizieren.
Mehr zu “FLIRT”: www.flirt-performance.de