Beim Kochkurs für togoische Gerichte – ein Erlebnisbericht
Die erste Lektion des Abends: Nichts passiert zu der Zeit zu der es passieren sollte. Hab ich erwähnt, dass ich Dinge grundsätzlich mindestens zwei Stunde vor dem Eintreffen der Gäste vorbereitet und meine Wohnung geputzt habe? Das Warten und Herumgewusele mit übergroßen Töpfen, Pfannen und Messern irritiert mich. Künstlerin Anne Tismer erzählt von der Unpünktlichkeit der Afrikaner und einer Mentalität der Langsamkeit.
Beziehungskiller Stoffmuster
Fast nichts ist vorbereitet, es wird noch schnell ein Beamer organisiert, der ein Video aus Togo ausspuckt, der Heimat von Lili Avouzouba. Sie ist afrikanische Barbesitzerin, Künstlerin, Kochkoryphäe. Kurz: Multitaskingtalent. In der Ecke liegt eine Kiste voller traditioneller Stoffe, auf die ich mich als shoppingbegeisterte Frau umgehend stürze. Als kommunikativer Mensch freut es mich zu hören, dass jedes Muster eine Bedeutung hat. Ich sehe mich in Gedanken schon im bunten Gewand bei einem Mottoabend mit Freunden und den neuen Rezepten. Schlechte Idee. Ein Muster sagt “Ich schlafe mit deinem Mann”, ein anderes “Ich will mich scheiden lassen”. Da ich nicht gern Beziehungskiller bin und beim künftigen Shoppen nur ungern auf die Meinung meines Liebsten verzichte, lass ich die Finger davon. Dass der gerade nicht hier ist, erfüllt mich trotzdem mit Erleichterung, als sich vor mir plötzlich ein Berg aus Knoblauch auftut. Ich bin bereit, mich auf ihn zu stürzen und alle Konsequenzen in Kauf zu nehmen. Ich schlafe schließlich allein.
An kleiderstangenähnlichen Konstruktionen um mich herum hängen allerlei Küchenutensilien. Praktisch veranlagte Kunst? Nicht ganz, schließlich sind die Töpfe und Kannen aus Omas Küche aus Wolle und baumeln die rosa Hähnchen in ihrem gehäkelten Dasein an Schnüren im Wind. Anne Tismer ist an der Optik von Dingen interessiert, nicht an ihrer Funktionalität. Leider ist das alles, was ich über ihre Kunst erfahre, bevor ich mit großen Augen in eine Plastiktüte voller kleingehacktem Fisch starre, der riecht, als wäre er einen Tag zu lang in dieser Tüte gewesen.
Eine Eintrittskarte für Guido?
Tismer erzählt mit erstaunlicher Gelassenheit über das Leben in Togo, Monatseinkommen von 50 Euro und einer Quote von ein bis zwei Barbesuchern an guten Tagen. Fakten, die mich unter normalen Umständen schockiert hätten, die ich aber nach Sätzen wie “Afrika braucht eigentlich keine Entwicklungshilfe, die organisieren sich auch so” nicht einordnen kann. Vielleicht sollte man Außenminister Guido Westerwelle eine Eintrittskarte zu diesem Kochkurs schicken.
Mittlerweile ist es fast sieben Uhr und die allgemeine unproduktive Gemütlichkeit macht mich und mein europäisches Naturell rasend. Kochen ohne Rezept, Zutaten, die vergessen oder ungeachtet ihrer Verwendungsmöglichkeiten ignoriert werden. Wo soll das hinführen? Erstens zur Zubereitung des traditionellen Gerichts Akoumé und zweitens zu Entschleunigung. Ein bisschen mehr Gelassenheit würde mir ganz gut tun. Vermutlich uns allen. Zu diesem Schluss komm ich, während ich dem Maisbrei beim Blasenwerfen zusehe und es kaum abwarten kann, ihn in kleine blaue Förmchen zu füllen. Ich lasse ihn wackelpuddingähnlich hüpfen und freue mich kindlich über seine zähe Konsistenz. Mit Brei und einer Soße aus Tomaten, Fisch und gefühlten zwei Kilo Ingwer sitze ich mit den Anderen am Tisch, bewundere Häkelkunstwerkchen und probiere unser Werk. Puh, fischig!
Mehr zum Kochkurs lesen Sie hier.
“E’Linda et Maison” bietet bis zum 28.09. jeweils vor und nach den Vorstellungen typisch togoische Gerichte an, gleichzeitig ist auch die Besichtigung der Installation möglich. Ein weiterer begleitender Vortrag findet am Dienstag, den 17.09. um 21.30 Uhr statt.