„TuiaviiTours Mainz – Die Papagali-Stadtrundfahrt“ am 13.9.2011
Ein „Reisebericht“ von Lea Sophie Preußer
Dienstag – kurz nach acht Uhr abends: Rund 20 Menschen haben sich auf dem Hof des Kulturzentrums KUZ in Mainz versammelt und warten gespannt, was als nächstes passiert. Es ist schwer zu erraten, was einen hier erwartet. „Eine ungewöhnliche Busexpedition durch Mainz, bei der ein imaginärer Wilder aus der Südsee in die Kuriositäten und Abgründe der so genannten `Zivilisation´ einführt“, verspricht das Programmheft des Festivals „Grenzenlos Kultur“. Aber was soll man sich darunter vorstellen?
Und man wird auch nicht wirklich schlauer, nachdem sich Jördis Alisha Richter, die „Reiseleiterin“ vorgestellt hat. Sie scheint vom Boden bis zum Hals ein ganz normales Mädchen: blaue Jeans, weißes T-Shirt. Nur die große, runde Brille und das Kopftuch lassen darauf schließen, dass Jördis Richter eine Weltenbummlerin sein möchte, wie sie sich selbst bezeichnet, die uns die fast vergessenen Schriften des fiktiven Südsee-Häuptlings Tuiavii aus Tiavea vorlesen wird. Eine fiktive Schrift über Tuiaviis fiktive Reise in die Welt des „weißen Mannes“, in unsere Welt und wie ein Südsee-Häuptling sie wohl gesehen hätte. Wir, die Weißen, die Wilden, die Pagalagi – wie Tuiavii uns nennt.
Das Abenteuer beginnt mit einem Ritual. Wir stellen uns in einen Kreis, schreiben unseren Beruf auf einen Zettel. Ich sehe Bürokaufmänner, Studenten, Journalisten und unter ihnen eine Weltensammlerin. Jördis Richter versucht, die Zettel mit Feuersteinen in Brand zu setzten. Doch die Natur will anders als die „Reiseleiterin“. Streichhölzer müssen herhalten.
Der „weiße Mann“, der die Natur besiegte und sie sein Eigen nannte
Dann beginnt die eigentliche Expedition. Ein alter Reisebus und Kai, der Busfahrer werden für die nächsten 90 Minuten unsere Begleiter sein. Im Bus ist es warm und stickig. Leise läuft vorn Musik aus einer leicht mitgenommenen Stereoanlage. Musik, die einen an Dschungel denken lässt.
Hätte ich gewusst, was mich erwartet, wüsste ich nicht, ob ich in diesen Bus gestiegen wäre. Es war zu keinem Moment unangenehm oder langweilig. Aber trotzdem hat man sich ab und an etwas merkwürdig gefühlt.
Jördis Richter beginnt, mit ihrer beruhigenden Stimme den Text vorzulesen. Ein Text über den „weißen Mann“, der Metallmünzen und schwere Papierstücke Geld nennt und dem Göttlichen gleichstellt. Der höher als der Adler fliegen, sich schneller als der Blitz fortbewegen und das Licht einfangen und auch jederzeit wieder frei lassen kann. Während dessen fährt der Bus langsam durch die Stadt, über Brücken, über das Wasser, vorbei an Wäldern, die der „weiße Mann“ selbst gepflanzt hat, über Straßen hinweg, die der „weiße Mann“ selbst gebaut hat. Wir werden von „weißen Männern“ überholt, die in „großen Kisten“ über die Straßen jagen.
Ja, unsere Welt muss verrückt aussehen für einen Mann, der aus dem Dschungel kommt. Aber sind wir es auch, die wild sind? Immer ginge es um Geld, ist eine Botschaft. Geld sei wie die Blätter an einem Baum, es würde immer mehr werden – so Tuiavii. Aber auch in der „Zivilisation“ kommt mal der Herbst und Bäume verlieren ihre Blätter. Also hat der Pagalagi wirklich Glück und Familie gegen Geld getauscht? Soll das wirklich die Botschaft gewesen sein? Hätte Tuiavii wirklich „Nein“ gesagt zu einer Maschine, die ihm Essen von den Bäumen holt und einem Boot, das ihn schneller ans andere Ufer bringt? Vielleicht war aber auch das die Botschaft. Wer ist schon der Wilde, wenn jeder doch lieber ein andere wäre? Wir – hier in Mainz – wünschen uns vielleicht mehr Natur und die Fähigkeit, Spuren zu lesen oder Vogelstimmen zu verstehen und ein Südsee-Häuptling wünscht sich mal einen freien Tag, an dem ein anderer ihm das Essen jagt und zubereitet.
Solche Fragen gingen mir während der „TuiaviiTours Mainz – Die Papagali-Stadtrundfahrt“ durch den Kopf und immer war das Ruckeln des Busses im Hintergrund. Zwei Stunden später standen wir wieder auf dem Parkplatz vor dem KUZ und alles war wie vorher. Wir, die „Weißen“, die vielleicht „Wilden“, gingen jeder für sich nach Hause, in unsere Hütten, um sich zur Ruhe zu legen und am nächsten Tag wieder Metall und schwere Scheine zu verdienen.