Wie kann man Theater für ein sehbeeinträchtigtes und blindes Publikum zugänglich und erlebbar machen? Maila Giesder-Pempelforth und Pernille Sonne gehören zum Autor*innen-Team, das Audiodeskriptionen (AD) für Inszenierungen anfertigen – in erster Linie für das Schauspielhaus Leipzig, aber auch andere Häuser im mitteldeutschen Raum wie das Kinder- und Jugendtheater tjg in Dresden. Audiodeskription sind jene Texte, die blinden Menschen beschreiben, was auf der Bühne passiert.
Das Team besteht pro AD-Fassung aus drei Autor*innen – zwei sehenden und einer blinden Person. Diese Kombination ist von Relevanz: Das Autor*innen-Team arbeitet nach einmaliger Live-Sichtung der Inszenierung mit Videoaufzeichnungen, um die AD-Fassung zu schreiben. Das Erstellen eines Textes umfasst sieben bis zehn Tage, je nach Länge und Komplexität der Aufführung. Dabei muss die Inszenierung mit all ihren Facetten – Bühnenbild, Kostüm, Bewegungen und Anordnungen der Schauspieler im Bühnenraum – genau, aber gleichzeitig in knappen Worten beschrieben werden. Denn die Beschreibungen müssen in die oft kurzen Pausen passen, die die Schauspieler*innen beim Sprechen lassen. Eine weitere Herausforderung liegt darin, ausdrucksstarke Worte zu wählen, die zum einen genau den Bühnenvorhang beschreiben und zum anderen in einer neutralen und wertfreien Deskription einen Raum für Interpretationen lassen.
Direktes Feedback darüber, was der geschriebene AD-Text für Assoziationen auslöst, gibt die spät erblindete Autorin Pernille Sonne. Sie betont, wie wichtig es ist, die Balance zu finden zwischen der Notwendigkeit zu beschreiben, die Information eines Vorgangs auf der Bühne vorwegzunehmen oder doch mal „Luft zu lassen“ in den Sprechpausen der Schauspieler.
Auch wichtig: die Vorbereitung des Publikums. Das Schauspielhaus Leipzig bietet für sehbeeinträchtigte und blinde Theatergänger*innen die Möglichkeit 90 Minuten vor der Vorstellung einen haptischen Bühnengang zu erleben. Das Anfassen von Materialien der Kostüme und Requisiten sowie das Erfassen von der Dimension des Bühnenraumes sind unersetzlich – egal wie wortgewandt und bilderreich eine AD ist. Denn nur, wenn die Zuschauer*innen wissen, wie sich ein Stoff anfühlt oder welche Ausmaße ein Bühnenelement hat, reichen ihnen während der Aufführung knappste Informationen, um sich die Situation auf der Bühne vorstellen zu können.
Die Audiodeskription wird in einer Sprechkabine im Saal live eingesprochen und auf die Empfangsgeräte und Kopfhörer übertragen, die die Besucher*innen am Eingang des Theaters erhalten. Giesder-Pempelforth berichtet, dass auch älteres Publikum gerne auf die Empfangsgeräte für AD zugreift. Eine von vielen Erfahrungen des Leipziger Teams ist es, dass es sinnvoll ist, Vorstellungen mit AD vor allem an Wochenend-Nachmittagen anzubieten, weil es das Sicherheitsgefühl vieler Besucher*innen erhöht, noch im Hellen nach Hause zu kommen.
Das Angebot für AD am Schauspielhaus in Leipzig gibt es seit Beginn der Intendanz von Enrico Lübbe 2013 und umfasst etwa eine Vorstellung im Monat. Mit einem insgesamt achtköpfigen Team ist das Projekt optimal besetzt. Insgesamt aber steckt AD an vielen Theatern immer noch in den Kinderschuhen. In der Runde des Workshops wurde überlegt, wie AD im Theater noch eingesetzt werden kann: Was, wenn der deskriptive Text für das ganze Publikum im Theatersaal hörbar wäre? Gerade bei abstrakteren, herausfordernden Inszenierungen