Gesichter des Festivals VIII: Andreas Meder, Leiter von Grenzenlos Kultur, darüber wie alles begann, wie es dieses Jahr lief und was das Erfolgsrezept des Festivals ist.
Andreas, jetzt ist Grenzenlos Kultur vol. 16 auch schon wieder vorbei. Was ist deine Bilanz für dieses Jahr?
Wir hatten dieses Jahr wieder eine großartige Eröffnungs-Gruppe hier, die nicht nur ein tolles Stück gezeigt hat und total ausverkauft war. Es war sogar die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz da, die es auch richtig toll fand. Von daher sind die Weichen gestellt, dass es auch im nächsten Jahr das Festival wieder gibt. Grenzenlos Kultur ist schließlich das dienstälteste inklusive Theaterfestival im deutschsprachige Raum, die Mutter aller inklusiven Festivals.
Was ist für dich der schönste Festival-Moment gewesen?
Die Eröffnung! Da ist es unsere Aufgabe, für ein großes Publikum, mit vielen Ehrengästen, etwas zu zeigen, was im Zentrum unserer Arbeit steht. Wir haben eine der erfolgreichsten Gruppen mit geistig-behinderten Künstlern präsentiert und hatten auch behinderte Gäste dabei – eine inklusive Veranstaltung eben. Es kam großartig an und das hat uns geholfen für die zwei Wochen. Es hat die Notwendigkeit dieses Festivals noch einmal unterstrichen. Ansonsten ist für mich immer ein Höhepunkt, wenn ich hinterher sagen kann: Es hat alles gut funktioniert! Wir arbeiten mit einem sehr kleinem Team, das großteils nicht mal aus Mainz kommt. Die Techniker und anderen Mitarbeiter kommen von Berlin oder sonst wo dazu. Zusammen versuchen wir hier im Kulturzentrum Mainz dieses Festival auf die Beine zu stellen und wissen nicht, ob es funktioniert. Das ist oft auch von vielen Ängsten im Vorfeld begleitet. Kommen überhaupt Leute zu diesen vielen Aufführungen? Wenn es dann aber gut geklappt hat und die Künstler glücklich waren und viele Zuschauer begeistern konnten, dann ist das der wesentliche Lohn unserer Arbeit.
Ihr scheint alles richtig zu machen. Es läuft sehr gut und viele Veranstaltungen sind im Vorfeld ausverkauft. Was ist das Erfolgsrezept?
Es ist immer unterschiedlich von Stadt zu Stadt, wo wir spielen und was wir dort machen. Dieses Jahr veranstalten wir ein sehr großes Straßenfestival in Kaiserslautern mit vielen behinderten und nicht-behinderten Künstlern. Das ist einfach ein kostenloses Geschenk an die Stadt. Da weiß man, dass was tolles passieren wird, drei Tage lang. Und wir können uns vor Zuschauern wieder gar nicht retten! Hier in Mainz haben wir eine Art Lücke geschlossen in einer Stadt, die kulturell sehr viel zu bieten hat – aber nicht übermäßig viel in der Theater- und Performance-Szene. Wir bieten, was man hier sonst nicht sehen kann, indem wir zwei Wochen lang ein für Mainz untypisches Programm präsentieren – sowohl mit den behinderten Künstlern als auch mit anderen Performances.
Wen wollt ihr damit erreichen?
Der Anspruch von Gruppen, die mit behinderten Schauspielern arbeiten, ist es, ein nicht-behindertes, an ungewöhnlicher Theaterkunst interessiertes Publikum zu erreichen. Und das ist auch unser Ansatz. Ein Publikum, dem wir die herausragende Leistung professionell arbeitender Künstler präsentieren. Gleichzeitig wünscht man sich natürlich, wenn man mit behinderten und nicht-behinderten Künstlern arbeitet, dass auch behinderte und nicht-behinderte Zuschauer kommen. Das scheitert aber häufig auch daran, dass man es ihnen vielleicht nicht so nahe bringt, wir erreichen sie nur mittelbar, indem wir unsere Programmhefte an Behinderten-Einrichtungen schicken. Und dann liegt es natürlich immer daran, ob es dort Verantwortliche gibt, die den behinderten Menschen in ihrer Obhut nahe bringen, ins Theater zu gehen.
Grenzenlos Kultur findet dieses Jahr zum 16. Mal statt. Die Lebenshilfe gGmbH veranstaltet noch weitere Festivals im deutschsprachigen Raum. Wie kam es denn damals überhaupt dazu?
Im Ursprung hatte der Landesverbandes der Lebenshilfe Rheinland-Pfalz die Idee, eine Kulturwoche mit behinderten Mensche zu machen. Es galt zu zeigen, dass geistig behinderte Menschen nicht nur ein Kostenfaktor sind, sondern eben auch viel zu geben haben, insbesondere auf kultureller Ebene. Da hat man mich gefragt, weil ich privat gut bekannt war mit der Geschäftsstelle des Landesverbandes der Lebenshilfe. Ich fand es direkt eine reizvolle Aufgabe, ohne eigentlich so ganz genau zu wissen, was da auf mich zukommt. Mit der Hybris der Berufsanfänger haben wir damals acht Tage lang in der ganzen Stadt gespielt, hatten 15 verschiedene Veranstaltungsorte. Weil es sowas aber vorher noch nicht gab, war alles ausverkauft. Auch mit Leuten, die von weit her kamen. Das war so ein großer Erfolg, dass man dieses Festival und auch die damit verbundene gemeinnützige Gesellschaft einfach weiterführen musste. Obwohl im Ursprung nur geplant war ein einziges Festival zu machen. Jetzt sind es im ganzen deutschsprachige Bereich schon knapp hundert Stück geworden.
Woher kommt dein persönliches Interesse an Theater und dem Thema Inklusion?
Ich habe Germanistik, Philosophie und Politikwissenschaften studiert und hatte ein Promotions-Stipendium in der Theaterwissenschaft Mainz bei Erika Fischer-Lichte. Ich habe viele Jahre das Mainzer OpenOhr-Festival mit veranstaltet. Von daher verbanden sich mein theoretisches Interesse an Theater mit meiner praktischen Veranstalter-Erfahrung und meiner vieljährigen Tätigkeit als Freizeit-Betreuer für die Lebenshilfe. Da habe ich geistig-behinderte Menschen in vielen verschiedenen Lebenslagen erlebt und immer schon das Gefühl gehabt: Mit denen kann man ganz viel machen und die muss man nicht behüten, sondern nach vorne bringen. Alles zusammen ergab diesen Beruf und diese Berufung, die ich mir im Ursprung so nie vorgestellt hatte, aber die mich seit vielen Jahren doch sehr glücklich macht.
EVVIVA ANDREAS!