Die Uraufführung von Thomas Melles “ODE” am Deutschen Theater Berlin (DT) ist eine Kooperation mit dem RambaZamba Theater. Wie hat die Zusammenarbeit ausgesehen? Und wie hat sich das Stück mit der Pandemie verändert? Darüber sprachen wir mit den Schauspielern Jonas Sippel und Manuel Harder.
Im Gespräch zeigen sich Jonas Sippel und Manuel Harder als enge Vertraute, die einige Spielerfahrung teilen und einander sehr genau zuhören. Bereits drei Mal haben sie zusammen auf der Bühne gestanden, und ein neues gemeinsames Projekt ist in Planung: Sippel möchte Homers “Odyssee” auf inszenieren, mit Harder als Darsteller.
Anika Marie Tomaszewski: War “ODE” die erste Kooperation des Deutschen Theaters und des RambaZamba Theaters?
Jonas Sippel: Das erste Stück mit dieser Kooperation war “Antigone” von Sophokles. Regie hatte Lilja Rupprecht vom Deutschen Theater gemacht. Die allererste Berührung vom RambaZamba und dem DT ist allerdings schon etwas länger her, dann lange nichtmehr und jetzt, wieder aufgenommen, ist es die erste direkte Zusammenarbeit.
AT: Im Dezember 2019 hatte “ODE” Uraufführung am Deutschen Theater. Wie hat sich aufgrund der Pandemie die Ensemble-Zusammenarbeit verändert?
Manuel Harder: Wir haben das Stück jetzt vor zwei Wochen wieder aufgenommen, da lag die letzte Vorstellung ein halbes Jahr zurück. Pragmatisch ging es darum sich zu erinnern und die Abstände einzuhalten. In der Uraufführung hatte ich zum Beispiel Kontakt mit dem Zuschauer, das darf ich jetzt nicht mehr. Plötzlich müssen wir viel stärker mit Grenzen umgehen. Dadurch hat sich für mich das Thema verändert, das Thema der Kunstfreiheit findet vor einem völlig anderen Hintergrund statt. Auf der einen Seite ist es nahezu verschwunden, ist aber gleichzeitig viel brennender, aktueller geworden.
JS: Gerade wird auf Solidarität und Zusammenarbeit gesetzt. Es ist ein großes Debakel, dass die Kunst beeinträchtigt ist. Wegen Corona gibt es keine Chance da weiterzumachen, und durch die Kultur Zusammenhalt zu kriegen.
MH: Ich spüre auch eine begriffliche Verwirrung beim Spielen. Zum Beispiel berufen sich viele Menschen, die sich unsolidarisch gegen die Maskenpflicht verhalten, auch auf die Freiheit. Die wollen wir hier verteidigen und es ist schmerzhaft, dass man nicht an die Zuschauer herankann, aber gleichzeitig viele Strömungen gibt, die die Freiheit als Gemeinwesen gefährden.
JS: Zum einen ist es wichtig für die Freiheit zu kämpfen, aber es müssen Regeln eingehalten werden. Es ist wichtig, dass man sich für andere einsetzt. Ich habe das Gefühl, dass Inklusion in der Politik überhaupt nicht mehr angesagt ist.
Esther Boldt: “ODE” ist ein wortgewaltiger, anspielungsreicher Text, der fast ohne Handlung und dramatische Figuren auskommt. Wie habt Ihr euch diesen abstrakten Text erspielt?
JS: Die Kunst ist ja auch abstrakt. Man probiert die anderen Seiten des Lebens aus, egal in welcher Situation man selbst ist, und versucht zu fühlen, wie es ist in dieser Rolle zu sein. Mir geht es persönlich darum “ODE” zu spielen, weil es wichtig ist auch in die Abgründe des Menschen zu schauen. Ich möchte auch damit zeigen, dass ich ein ernstzunehmender Schauspieler bin und auch jemanden “Böses” verkörpern kann. “ODE” zeigt die Konflikte, die jeder Mensch in sich trägt, und wie es ist, mit diesen Konflikten klarzukommen.
MH: Wesentliche Faktoren waren, gemeinsam in der Gruppe zu arbeiten und die Stimmung, die untereinander geherrscht hat. Es war kein Diskursstück, was wir selber erarbeitet haben, sondern es ist vollkommen durchkomponiert. Thomas Melle war auch wichtig, dass wir die Wörter genauso sagen und nicht irgendwie. Es gibt Figuren, die dann aber eigentlich nicht lange halten, es sind eher eine Art Gedankenfiguren, die ein paar Thesen in den Raum stellen, nur um sie gleich wieder abzugeben. Bei den Vorstellung fällt auch immer wieder auf, man geht von der Bühne runter, schüttelt sich und sagt: “Mensch, heut haben wir denen aber wieder ganz schön was rüber gebrettert an Gedanken!”.
AT: Kann man das Stück also auch als Kunstaktivismus verstehen?
MH: Es ist auf jeden Fall spannend, wie dicht die Dinge zusammenhängen und wie ambivalent die Begrifflichkeiten werden.
EB: Ist es aus Eurer Sicht, aus Eurer Erfahrung als Schauspieler so, dass die Möglichkeiten für Ambivalenz, für unterschiedliche Bedeutungen oder Uneindeutigkeit in der Kunst weniger werden?
MH: Corona legt natürlich das Brennglas ja auf vieles, unter anderem auch auf die Verwirrung der Begriffe. Etliche Leute nutzen diese Situation, nutzen die Ambivalenz der Begriffe, und versuchen sie umzudrehen, zu manipulieren und zu politisieren.
JS: Die verschiedenen Situationen, die wir in “ODE” spielen, sind Themen, die während Corona auch präsenter geworden sind. Zum Beispiel Rassismus. Aber auch Themen wie die Armutssituation werden angesprochen.
MH: Von verschiedenen Seiten gibt es ganz deutlich immer mehr Beschränkungen, was Theater sein und wie es genutzt werden soll. Sowohl von der politischen Korrektheit, als auch von der rechtskonservativen Seite die, immer wenn es um Kultur geht, über das Theater geht. Das ist natürlich kein Zufall, denn im Theater geht es immer um das Selbstverständnis von Gesellschaft. Es geht um diesen Ort von Bürgerlichkeit und darum, was er wiederspiegeln soll.