Der Intendant und Geschäftsführer des inklusiven Berliner RambaZamba-Theaters, Jacob Höhne, hat sich an die Inszenierung von Richard Wagners kolossaler Operntetralogie „Der Ring des Nibelungen“ als eine sechzigminütige Pop-Oper gewagt. Die Neuinterpretation der Wagnerschen Musik übernahmen dabei Jens Friebe und Leo Solter. Darüber, was Jacob Höhne bei seiner Arbeit an der Pop-Oper bewegt hat, habe ich mit ihm gesprochen.
Stefanie Hampel: Mit welcher Intention haben Sie Wagners „Ring des Nibelungen“ als Pop-Oper inszeniert?
Jacob Höhne: Ein wichtiger Aspekt war die Form die uns vorgegeben wurde, die Inszenierung durfte nicht länger als eine Stunde sein und feierte ihre Premiere im Rahmen des Popkulturfestivals in Berlin. Wir wollten eine Interpretation des Rings schaffen, die als Popkonzert funktioniert und viel Spaß macht. Den Ring auf eine Stunde zu kürzen ist unmöglich, wenn man die Geschichte annähernd erzählen will, der „Ring“ ist ein Schwergewicht, eine Maximalüberforderung. Das hat uns als Herausforderung sehr interessiert. Der Stoff ist auch ein bisschen wie ein Fantasyroman, es gibt Götter, Riesen und natürlich einen Helden. Insofern bietet der Stoff viel Material für eine Bearbeitung in Richtung Pop-Oper: Oper ist ja immer große Bühne und kann mit einer großen Behauptung daherkommen.
SH: Was ist der Vorteil davon, dass es kürzer ist? Ist es für das Publikum heute passender?
JH: Ja, das ist eine gute Frage. Mir macht es Spaß, Dinge auf ihren Kern zu reduzieren, oder auf Teile dessen. Das finde ich grundsätzlich einen spannenden Vorgang. Ich würde nicht sagen wollen, dass wir den Kern des „Rings“ freigelegt hätten, aber wir haben Teile herausgenommen, die für uns grundsätzlich wichtig waren. Mich würde es sehr interessieren, den Ring in seiner vollen Länge zu inszenieren, allerdings müsste man dafür im Zusammenhang mit RambaZamba ganz neue Wege gehen. Ich glaube das Publikum lässt sich auf vieles ein, auch auf eine sehr lange Inszenierung, vorausgesetzt die Dauer ist plausibel.
SH: Auf welche Kernthemen kommen Sie in Ihrer Inszenierung? Kann man das in Worte fassen?
JH: Grundsätzlich erkläre ich nur ungern, was in Inszenierungen geschieht. Für mich ist die Inszenierung immer ein Ort der eigenen Assoziationen. Die großen Themen sind natürlich Liebe, Verrat, Tod, Habgier und das, was Habgier aus den Menschen macht. Aber auch der Kampf des Menschen gegen die Natur ist ein wichtiges Thema und auch die Familie spielt eine große Rolle. Wir haben nach zeitgemäßen Übersetzungen gesucht, in denen auch der Humor eine wichtige Rolle spielt. Wotan ist beispielsweise mit der Mietfrage konfrontiert, plötzlich muss er sehr viel Geld für sein Schloss bezahlen. Da steckt wieder das Thema des Verrats mit drin, als Archetyp.
SH: Sie arbeiten also gerne auch mit Humor. Wie verwenden Sie Humor in Ihrer Inszenierung des Rings?
JH: Ich finde im Theater wird zu wenig gelacht. Das Theater nimmt sich sehr ernst. Es gibt eine Unterteilung ähnlich wie in der Musik, in ernste Musik und Unterhaltungsmusik. Die Unterteilung ist gleichzeitig eine Hierarchie. Ich finde dieser Einteilung uninteressant und halte sie auch für falsch. Humor ist für mich ein wunderbares Mittel mit dem ich mich auch noch so ernsten Themen nähern kann. Der Clown ist zum Beispiel eine Figur die uns sehr nahe ist. Wir können über ihn und mit ihm lachen oder weinen.
SH: Wird die Ernsthaftigkeit, die bei Wagner oder dem Ring mitschwingt also ein bisschen auch auf die Schippe genommen?
JH: Ja und nein. Es geht nicht darum, dass wir den Ring nicht ernst nehmen, ich nehme ihn zutiefst ernst. Aber in diesen Figuren steckt ja, auch oder gerade, wenn man sie ernst nimmt, eine Menge Komik. Wir machen uns nicht über die Figuren lustig oder verraten sie, wenn wir das Komische in ihnen suchen. Ich glaube, dass auch ein Held es ganz schön schwer hat, und das kann unfreiwillig komisch sein. Man sieht in ihm eher die grundsätzlichen Probleme des Menschseins. Dadurch bindet man sich ja viel eher an so einen Helden, als an so ein übermenschliches Wesen.
SH: Wie assoziativ gestaltete sich die Zusammenarbeit mit den Schauspieler*innen und Sänger*innen?
JH: So eine Arbeit ist ja immer assoziativ, alle haben ihre Vorstellung von den Figuren, von dem, was da geschieht oder wie es klingt. Ich finde diese unterschiedlichen Vorstellungen total spannend und zentral. Da wir einen Großteil der Inszenierung über einen Film erzählen, mussten wir parallel arbeiten. Die Band hat die Musik erarbeitet und die Schauspieler*innen haben gleichzeitig den Film gedreht. Letztlich ging es darum wie wir Bilder schaffen können, die stark genug sind, dass beim Publikum Assoziationen zwischen dem Film und den Songs entstehen.
SH: Was fügen die Musik von Jens Friebe und Leo Solter und auch die Band „21 Downbeat“ der Oper hinzu?
JH: Ich finde, sie haben eine ganz tolle eigene, moderne Interpretation dieser beeindruckenden, schweren und teilweise schwülstigen und bedeutungsschwangeren Musik gefunden. Die Interpretationen sind sehr unterschiedlich, manchmal sind es avantgardistische Popsongs, dann geht es auch mal in die Country-Ecke und landet bei einem modernen Rio Reiser.